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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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seinem Tod nicht finden, dann können sie mich auch nicht töten. Wenn sie mich später finden, werden sie mich natürlich töten, weil ich weggelaufen bin. Aber ich habe eine gute Chance. Ich muss ein amerikanisches Schiff finden und an Bord gehen, dann kann ich ihnen sagen, ich hätte mit ihnen Verhandelt, das müssen sie mir glauben. Sein Plan war nicht unvernünftig und seine Hoffnung nicht unbegründet, denn er gehörte zu den Tlingits, die genügend Englisch gelernt hatten, um die Verhandlungen in den Tauschgeschäften mit den Amerikanern zu führen, deren Schiffe recht häufig im Sitka-Sund anlegten.
    Während er jetzt durch den Wald flüchtete, rief er leise die Namen der Schiffe, die er mit Wildfleisch und frischem Wasser versorgt hatte, wenn die Amerikaner mal wieder nach Pelzen gesucht hatten: »White Dove«, komm herbeigeflogen »J.B. Kenton«, hilf mir; »Evening Star«, scheine und erleuchte mir den Weg.
    Dann aber legte sich das schlechte Wetter, für das Sitka berühmt war, wie eine Federdecke über den Wald; grau und schwer hing es einen halben Meter über dem Boden und der Wasseroberfläche in der Bucht. Es wurde schnell undurchdringlich, und die Hoffnung, sich a uf ein amerikanisches Handels schiff zu begeben und so sein Leben zu retten, schwand. Drei quälende Tage versteckte sich Rabenherz in dem Fichtenwald am Rande der Bucht und wartete, bis sich der Nebel auflöste.
    Am Abend des dritten Tages, als er bereits Schmerzen vor Hunger hatte, hörte er in der Ferne ein gedämpftes Geräusch, das ihn aufhorchen ließ. Es schien von einer der Kanonen zu stammen, die die Seeleute oft benutzten, um aus dem Echo des Schusses die ungefähre Entfernung zu den bedrohlich aus dem: Wasser ragenden Küstenfelsen abzuschätzen, aber der Schuss wiederholte sich nicht, wie es bei einem derartigen Probeschuss der Fall gewesen wäre. Vielleicht aber war auch dieser einzige Kanonenschuss so ergiebig, dass ein zweiter nicht erforderlich war, und genährt mit dieser neuen Hoffnung, schlief er neben einer gefällten Fichte ein.
    In der frühen Dämmerung weckte ihn der heisere Schrei eines Raben, und ein besseres Zeichen hätte er sich nicht wünschen können, den die Tlingits teilten sich auf in zwei Sippen, die Adler und die Raben, und jedes menschliche Wesen gehörte entweder der einen oder der anderen Gruppe an. Rabenherz war natürlich ein Rabe, und das bedeutete, dass er bei Spielen zwischen den beiden Sippen diese Gruppe verteidigen musste , aber auch bei ernsthafteren Wettkämpfen, zum Beispiel bei der Ausschmückung ihrer Dorfplätze mit Totempfählen. Als Rabe musste er eine Frau aus der Sippe der Adler heiraten, eine jahrtausendealte Vorschrift gegen die Inzucht, das Kind eines Raben und einer Frau aus der Sippe der Adler wiederum war ein Adler und als solcher für den Fortbestand der Sippe vorbestimmt.
    Unter den Tlingits war der Glaube weit verbreitet, und auch Rabenherz hielt daran fest, dass Adler zwar einen Hang zur Macht hatten, aber Raben ihnen an Weisheit und Klugheit bei weitem überlegen waren, die Natur geschickt zu nutzen und, ohne auf das Mittel des Kampfes zurückgreifen zu müssen, Vorteile gegenüber ihren Widersachern zu gewinnen verstanden. Das Wasser, das Feuer und auch die Tiere als Nahrung verdankte die Menschheit der Klugheit des Ersten Raben, der die Urbeschützer dieser segensreichen Quellen überlistete. »Wir durften nicht teilhaben an den guten Dingen«, hatte ihm der Bruder seiner Mutter einst erzählt, »und wir lebten in Dunkelheit, Kälte und Hunger, bis der Erste Rabe sich unseres Kummers annahm und die anderen mit seiner Klugheit dazu brachte, uns an ihrem Reichtum teilhaben zu lassen.«
    Als Rabenherz jetzt das Krächzen eines Raben in der frühen Dämmerung vernahm, da wusste er, dass es ein Zeichen war, dass ein rettendes Schiff in der Bucht vor Anker lag, und er lief hinunter zum Wasser, in der Erwartung, das Schiff zu sehen, von dem aus am Tag zuvor die Kanone abgefeuert worden sein musste . Er starrte in den Nebel, konnte jedoch nichts entdecken, und in seiner Enttäuschung fühlte er schon den Holzblock an seiner Kehle. Verzweifelt und ausgehungert lehnte er sich gegen eine Fichte, blickte über die noch immer grau verhüllte Bucht, und in äußerster Not, dem Tode nahe, schickte er erneut einen stillen Hilferuf an die amerikanischen Schiffe: »Nathanael Parker«, hilf mir; »Jared Harper«, komm und erlöse mich.
    Stille, dann das Geräusch von Eisen auf Holz, eine

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