Alaska
dieser junge Mann hier um deine Hand angehalten hat.« Sofia errötete nicht, oder wenn doch, dann war es auf ihrer goldfarbenen Haut nicht zu sehen, aber sie verbeugte sich und hielt den Kopf so lange gesenkt, bis sie die leisen Worte des Priesters vernahm. »Ich habe gekämpft, um deine Seele zu retten, Sofia, aber auch, um dich zu retten. Willst du mich heiraten?«
Sie wusste um die Bedeutung des schwarzen Priesterrockes, und sie trat hervor und berührte das Kleidungsstück. »Und was ist hiermit?« Und er antwortete: »Ich habe ihn abgelegt, so wie du dein Fellkleid abgelegt hast, als du den christlichen Glauben annahmst.« Und dann, ein Lachen überzog ihr Gesicht, sagte sie: »Ich wäre stolz.«
Da zwischen Ankunft und Abfahrt eines Schiffes in Kodiak manchmal zwei bis drei Jahre vergingen, war auf Vasilis Gesuch, vom schwarzen in den weißen Stand überzutreten, keine schnelle Antwort zu erwarten, und wenn dem Gesuch stattgegeben wurde, hätte es möglicherweise noch einmal drei Jahre gedauert, bis ein neuer Priester die Trauung hätte vornehmen können, also machte Baranov einen praktischen Vorschlag. »Wenn ich mit Anna wie mit einer verheirateten Frau lebe, dann sollten Sie dasselbe mit Sofia tun ... das heißt, bis ein Priester die Angelegenheit ins reine bringen kann.«
»Das könnte ich nicht.« Aber dann machte Baranov ihn mit den Regeln der entfernten Aleuten vertraut: »Die Zarin ist in Sankt Petersburg, und Gott ist oben im Himmel, wir aber sind hier unten auf Kodiak und tun, was wir für richtig halten.«
Auf diese absonderliche Weise kamen die beiden Führer von Russisch-Amerika zu ihren eingeborenen Frauen. Cidaq Sofia Kuchovskaja Rudenko Voronova wurde die Mutter jenes späteren Voronov, der Russisch-Amerika zu Ruhm verhalf und Baranovs Träume verwirklichte. Die begabte Anna Baranova war jahrelang die Lebensgefährtin des Hauptverwalters der Handelsgesellschaft und brachte zwei Kinder zur Welt, eine Tochter wurde später die Frau des russischen Gouverneurs. Als die Nachricht vom Tod der wirklichen Madame Baranova eintraf, die man weder in Sibirien noch auf den Inseln jemals gesehen hatte, wurde Anna Baranovs rechtmäßige Frau, die er allen als die »Tochter des früheren Königs von Kinai« vorstellte. Die Besucher glaubten der Legende ohne weiteres, denn Anna hatte tatsächlich etwas Königliches an sich.
In dem hinhaltenden Kampf zwischen Schamanismus und Christentum siegte schließlich letzteres, aber es war ein blutiger Sieg. Als Vitus Bering und seine Männer die Aleuten 1741 zum ersten Mal betraten, lebten auf den Inseln insgesamt 1 8 . 500 gesunde Männer und Frauen, die sich ausgezeichnet an die Umgebung angepasst hatten, Inseln ohne Bäume, aber inmitten einer See, die reichhaltige Nahrung bot. Als die Russen abzogen, lag die Bevölkerung nur noch bei 1 . 900 ; 94 Prozent war verhungert, ertrunken, in die Sklaverei gezwungen oder ermordet. Und die wenigen, die überlebten, wie Cidaq, konnten das nur, indem sie sich der Zivilisation der Sieger anpassten .
6. Untergehende Welten
Im Schatten des herrlichen Vulkans, der Sitka-Sund bewachte, lag der große Toion im Sterben. Dreißig Jahre hatte er über die zahlreichen gebirgigen Inseln geherrscht, die sein Reich umfassten , die eigensinnigen, aufrührerischen Tlingits geeinigt, die sich nur ungern einem Führer unterwarfen. Die Tlingits waren ein mächtiger Indianerstamm, in keiner Weise mit den friedlich gestimmten Eskimos im hohen Norden oder mit den eingeborenen Aleuten der Inselkette vergleichbar. Sie waren kriegerisch, versklavten ihre Feinde, kannten keine Furcht, und sie wussten , dass jetzt, nach dem Tod des großen Toion und dem Verlust seiner Macht, die er so geschickt angehäuft und in den Händen gehalten hatte, möglicherweise eine Zeit der Verwirrung, des Kampfes und des Sterbens anbrach, bis sich ein neuer Anführer als Toion durchgesetzt hatte.
Als der Sklave, der Rabenherz genannt wurde, erfuhr, dass sein Herr im Sterben lag, erfasste ihn panische Angst, denn dank seiner Kräfte, die ihn einst zum ersten Sklaven des Toion gemacht hatten - seine Tapferkeit im Krieg, die Bereitschaft, seinen Herrn zu verteidigen -, würde er jetzt zum Tode verurteilt werden, denn wenn ein Toion starb, dann war es Sitte bei den Tlingits, sofort danach drei seiner besten Sklaven zu töten, damit er auch mit angemessener Dienerschaft in die Welt hinter den Bergen einziehen konnte. Und da Rabenherz nach dem Urteil aller unter den
Weitere Kostenlose Bücher