Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
Vom Netzwerk:
zufällige, leichte Brise, die den Nebel ein wenig verdrängt, dann hebt sich, wie von einer Geisterhand gezogen, der Vorhang, und es erscheinen die schemenhaften Umrisse eines Schiffes, die sofort wieder im Dunst verschwimmen. Aber das Schiff war da! Verzweifelt, ungeachtet der Gefahr, der er sich aussetzte, wenn er das Versteck seinen Verfolgern preisgab, lief er ins Wasser, blieb knietief stehen und rief auf Englisch : »Schiff! Schiff! Felle!«
    Wenn es irgendetwas gab, womit man ein amerikanisches Schiff - vorausgesetzt, es war ein solches - an die Küste locken konnte, dann waren es Otterpelze, aber Rabenherz erhielt keine Antwort. Er stapfte weiter voran, konnte aber nicht schwimmen, und rief erneut: »Ihr guten Amerikaner! Otterpelze!« Wieder keine Antwort, doch endlich fegte ein starker Windstoß den Nebel beiseite, und dort, keine 200 Meter entfernt, sicher zwischen den baumreichen Inseln, die Sitka-Sund beschützten, lag die »Evening Star«, das Handelsschiff aus Boston, mit dem er in der Vergangenheit schon des Öfteren Geschäfte gemacht hatte.
    »Kapitän Corey!« rief er, warf sich ins Wasser, schlug heftig mit den Armen und machte so einen Lärm, dass irgendjemand auf der Brigg ihn hören musste . Ein Offizier richtete sein Fernglas auf ihn und rief hinüber zur Brücke: »Zeichen von einem Eingeborenen, Sir!«, worauf ein Boot herabgelassen wurde und vier Matrosen langsam und vorsichtig auf die Küste zuruderten. Rabenherz, außer sich vor Freude über seine Rettung, stapfte ihnen im Wasser entgegen, als plötzlich zwei Gewehrläufe mitten auf seine Brust zielten und der strenge Befehl ertönte: »Stehenbleiben, oder wir schießen!« Kapitän Miles Corey von dem Handelsschiff »Evening Star«, dreiundfünfzig Jahre alt und durch die harte Schule des Pazifiks gegangen, kannte zu viele Kommandeure, die ihr Schiff durch einen überraschenden Angriff von Eingeborenen verloren hatten, so dass er selbst niemals ein Risiko einging. Die Matrosen, bevor man das Boot aufs Wasser gesetzt hatte, waren gewarnt worden: »Es ist nur ein einziger Indianer, aber an Land, hinter den Bäumen, lauern vielleicht fünfzig andere.«
    »Stehenbleiben, oder wir schießen!« riefen die Männer deshalb jetzt ein zweites Mal. Rabenherz blieb wie erstarrt stehen, hüfthoch im kalten Wasser, da erkannte ihn einer der vier. »Mein Gott, das ist ja Rabenherz«, und er hielt ihm das Ruder entgegen, damit der Tlingit, mit dem er früher schon Handel getrieben hatte, ins Boot klettern könnte.
    Es war ein herzlicher Empfang, den Kapitän Corey und der Erste Offizier Kane ihrem alten Freund bereiteten, und sie hörten aufmerksam zu, als Rabenherz ihnen berichtete, welche Zwangslage ihn zur Flucht in den Wald getrieben hatte. »Soll das heißen«, fragte Kapitän Corey, » dass man dich getötet hätte? Nur weil der alte Mann gestorben ist?«
    In seinem gebrochenen Englisch flehte Rabenherz sie an: »Du sagen, ich auf Schiff vier Tage. Du sagen, zu viel Nebel. Vier Tage.«
    »Warum gerade vier Tage?« fragte Kane, und Rabenherz wandte sich ihm zu. Beide Männer waren etwa gleich groß, muskulöse, furchtlose Raufbolde, und aus diesem Grund auch fühlte sich Kane, der ehemalige Harpunier, zu dem Tlingit hingezogen. »Ich sollte vor drei Tagen getötet werden. Sie denken, ich weggelaufen, gefangen und schon tot. Aber wenn ich auf Schiff, mit euch handeln...« Er hob die Hände, als hätte man ihm Fesseln abgenommen, und deutete damit an, dass man sein Leben verschonen würde, wenn er diese Entschuldigung Vorbringen könnte.
    Wieder legte sich der allgegenwärtige Sitka-Nebel über die »Evening Star«, diesmal so dicht, dass man nicht einmal mehr die beiden Mastspitzen von Deck aus sehen konnte. Corey und Kane versicherten dem geflohenen Sklaven: »Wahrscheinlich bleiben wir noch zwei Tage in dieser Suppe. Du bist hier sicher.« Zur Feier des Tages öffneten sie eine Flasche guten Jamaikarum und freuten sich über ihre Ankunft in Sitka-Sund, im Schutz des Vulkans und der unsichtbaren Bergkette. Als Rabenherz spürte, wie das edle dunkle Getränk seinen Rachen belebte, entspannte er sich und erzählte den Amerikanern, wie viele Pelze mit seiner Hilfe der Stamm für sie zusammengetragen hatte, und die beiden Weißen waren so zufrieden über diese Nachricht, dass sie ihm im Gegenzug die Waren zeigten, die sie den Tlingits aus Boston mitgebracht hatten.
    »Das hier ist der Rum«, sagte Kapitän Corey und wies dabei auf die sicher unter Deck

Weitere Kostenlose Bücher