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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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wollte er sagen: »Was passiert, ist ihre Angelegenheit, nicht unsere«, stellte am Nachmittag die abschließende Kalkulation für seine Fracht aus Walfischtran und Otterpelzen an, lichtete den Anker und machte sich auf nach Boston, das er sechs Jahre nicht gesehen hatte.
    Als er fort war, sagte Kot-le-an zu Rabenherz: »Wir werden warten. Wenn du deine Hütte an dem Lachsgewässer bauen willst, dann fang jetzt damit an.« Diese wie beiläufig dahingeworfene Aufforderung stellte einen Wendepunkt in dem Leben des Sklaven dar, denn damit war er stillschweigend aus der Knechtschaft entlassen. Wenn ein Tlingit die Freiheit besaß, sich eine eigene Hütte zu bauen, besaß er auch die Freiheit, sich eine Frau zu nehmen und mit ihr in die Hütte einzuziehen. Rabenherz hatte schon seit geraumer Zeit mit wachsender Ungeduld ein Auge auf ein Mädchen geworfen, das auf den reizenden Namen Kakeena hörte, ein Name, der von ihrer Großmutter stammte, dessen Bedeutung aber verlorengegangen war. Sie hatte nicht nur ein sanftes, offenes Gesicht, aus dem innere Gelassenheit sprach, sondern auch eine vornehme Haltung, gleich einer Warnung an die Welt: Ich mache vieles so, wie ich es will. Sie war die Tochter eines erfahrenen Fischers, sechzehn Jahre alt und aus einem glücklichen Zufall sowohl der Tätowierung als auch der Einfügung eines Lippenpflocks entgangen. In jenen ersten Jahren des neuen Jahrhunderts gehörte sie zu dem selbstbewussten und doch bescheidenen Typ Frauen, von denen man in dieser Zeit des Umbruchs erwarten konnte, einen Russen zu heiraten, um so mit ihrer Ehe eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zwischen Tlingits und Russen zu schlagen.
    Aber Kakeena hatte schon als Kind gespürt, dass das für sie nicht möglich war, denn sie pflegte bewusst den Lebensstil der Tlingits, und sie sah ebenfalls, dass der innerliche Abstand zwischen ihrem Dorf und der Festung der Russen unüberbrückbar war. Ihre Eltern hatten sich in den vergangenen Monaten häufig gefragt: »Was soll aus unserer Tochter werden?«, als wären sie für ihr Seelenheil verantwortlich und nicht sie selbst. Sie freuten sich, als mehrere junge Tlingits und Russen begannen, sich lebhaft für sie zu interessieren, und beim letzten Besuch der »Evening Star« war ihnen nicht entgangen, dass der Erste Offizier Kane mehrere Male versuchte, sie in sein Bett zu locken, aber sie hatte sowohl ihn als auch die Männer aus Sitka zurückgewiesen, aus dem einzigen Grund, weil sie bereits im vierzehnten Lebensjahr den Sklaven Rabenherz als den begehrenswertesten jungen Mann der Gegend erwählt hatte. In den Jahren darauf wurde sie Zeuge seines standhaften Mutes, seiner Treue zu Kot-le-an, seines Geschicks im Handel mit den Amerikanern und vor allem seines anziehenden Wesens, denn sein Gesicht strahlte eine feste Ruhe aus, die sie auch in ihrem eigenen zu entdecken geglaubt hatte, als sie sich einst in einem der von Kapitän Corey mitgebrachten Spiegel betrachtet hatte.
    In dem ruhigen Sommer des Jahres 1801 also standen Rabenherz drei große Aufgaben bevor, zu deren Bewältigung er seine ganze Kraft einsetzen musste : Kakeena zur Frau zu gewinnen, ihnen beiden neben dem Lachsgewässer unter den hohen Fichten eine Hütte zu bauen und einen Totempfahl zu schnitzen wie die, die früher sein Heimatdorf im Süden, vor seiner Gefangennahme und Versklavung, geschmückt hatten.
    Die Stämme der Tlingits unterschieden sich in ihrem Wesen so sehr, dass sie kaum wie die Mitglieder einer gemeinsamen Familie erschienen. Die Tlingits auf Yakutat im Norden waren fast noch Wilde, so sehr waren sie auf Krieg aus, auf Plünderung und die Ermordung ihrer Gefangenen. Die Tlingits oberhalb des Sitka-Sunds, zu denen auch Kot-le-an gehörte, waren Krieger genug, um ihr Gebiet verteidigen zu können, aber auch sanftmütig genug, um die Segnungen des Friedens zu schätzen, wenn er sich unter ihren Bedingungen erreichen ließ. Die Tlingits im Süden schließlich, bei denen Rabenherz aufgewachsen war, lebten an der Grenze des Gebiets der Haida, eines entfernten Zweigs der Athapasken, und von ihnen hatten sie die schöne Sitte übernommen, für jedes Dorf und jede auffallende Hütte einen Totempfahl aus dem Holz der roten Zeder zu schnitzen, einen großen, stattlichen und farbenprächtigen Mast, der alle für das Dorf oder die Hütte wichtigen Ereignisse darstellte. Kot-le-ans Volk schnitzte keine Totempfähle, und die Yakutats verbrannten sie gar, wenn sie ein Dorf überfielen,

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