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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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aber Rabenherz, da er in einem fremden Land leben musste , würde sich in keiner Hütte wohl fühlen, die nicht durch einen Totempfahl beschützt wurde.
    Mit der Energie, die ihn schon immer ausgezeichnet hatte, packte er alle Aufgaben gleichzeitig an. Kot-le-an bittend, ihn zu begleiten, machte er sich auf den Weg zu der Behausung des Fischers und fragte den Vater mit ernster Stimme: »Erweist du mir die Ehre und gibst du mir deine Tochter zur Frau?« Und noch ehe der Vater antworten konnte, versicherte ihm Kot-le- an: »Du kannst ihm vertrauen.«
    »Aber er ist ein Sklave«, widersprach der Vater, worauf der Häuptling erwiderte: »Nicht mehr. Seine Ehre ist wiederhergestellt.« Und die Vorbereitungen für die Hochzeit wurden getroffen.
    An jenem Nachmittag begannen Rabenherz und Kakeena am Ufer des Lachsgewässers, anderthalb Kilometer östlich des Berges, die Baumstämme zu fällen, die sie für den Bau ihrer Hütte benötigten, und am frühen Abend, als der Grundriss bereits ausgehoben war, zogen sie den Stamm einer Zeder ans Ufer, aus dem er ihren Totempfahl schnitzen wollte. Am nächsten Tag wurde der Stamm mit Kot-le-ans persönlicher Hilfe und der dreier Gefährten auf Stützen gehoben, damit Rabenherz ungehindert an dem Holz schnitzen konnte, eine Aufgabe, die ihn die freie Zeit eines ganzen Jahres beschäftigen sollte.
    Während der Arbeit an dem Stamm, er schnitzte nur die Seite, die nach vorne wies, traf er eine persönliche Auswahl jener Bilder, die die geistige Geschichte seines Volkes zusammenfassten , und mischte sie zu einem: die Vögel, die Fische, die großen Bären, die Boote, mit denen sie die Gewässer befuhren, die Geister, die das Leben lenkten. Er ging nicht planlos dabei vor; denselben Leitsätzen gehorchend, die schon Praxiteles und Michelangelo befolgt hatten, als sie ihre Skulpturen entwarfen, hielt auch er sich so meisterhaft an traditionelle Muster der Beziehung von Form und Farbe, dass der Totempfahl, der langsam Gestalt annahm, nicht einfach nur ein verzierter Holzstamm wurde, sondern ein eindrucksvolles und einfühlsames Kunstwerk, erhaben in seiner Erscheinung. Er und Kakeena waren glücklich, als er schließlich fertig war und an seinen Platz aufgestellt werden konnte, und sie fühlten sich besonders geehrt, als der Toion, Kot-le-an und der Schamane den hoch aufragenden Totempfahl segneten, das Zeichen, dass hier eine Familie wohnte, die die Sitten der Tlingits befolgte.
    Im Juni des Jahres 1802, Rabenherz war verheiratet, sein Haus fast fertiggebaut, davor der herrliche Totempfahl, kamen Kot-le-an und zwei seiner Männer mit aufregenden Neuigkeiten an den Fluss gerannt: »Die Russen waren noch nie so schwach. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sie zu vernichten.« Rabenherz wurde wieder losgeschickt, sie auszuspionieren, und von einem Dickicht östlich der St.-Michael-Schanze aus machte er mehrere wichtige Beobachtungen: Ihr gefährlichster Gegner, Baranov, hielt sich nicht selbst in der Feste auf, und auch sein vertrauter Adjutant, Kyril Zhdanko, war nicht zu sehen; viele Aleuten waren nach Kodiak zurückgekehrt, so dass sich die volle Mannstärke in der Festung auf nur etwa fünfzig Russen und zweihundert Aleuten belief; und während zu den kleineren, ungeschützten Gebäuden entlang der Küste noch ein paar hinzugekommen waren, hatte man die eigentliche Festung und den angrenzenden, mit einem Palisadenzaun umgebenen Hof nicht weiter ausgebaut.
    Kot-le-an und seinen Gefährten Bericht erstattend, schloss Rabenherz: »Es ist alles noch so wie auf unseren Karten. Wir rücken von zwei Seiten an, von der Bucht mit unseren Booten, von Land zu Fuß durch den Wald. Wir nehmen die kleinen Gebäude im ersten Sturm, graben uns ein und überwältigen dann die Schanze.«
    »Der erste Teil ist leicht?« Rabenherz nickte. »Und der zweite Teil?« fragte Kot-le-an, und sein Spion gab eine ehrliche Antwort: »Sehr schwierig.«
    Die Sonne war kaum untergegangen in jener Nacht Ende Juni, es war in der elften Stunde, da legten die Boote der Tlingits vom Südende der Bucht ab, und als sich die kleine Flotte Richtung Norden bewegte, die Ruderer sich abgestimmt hatten mit den Kriegern, die vom Wald her einfallen sollten, hoben sich die Umrisse der Festung deutlich von dem silbernen Leuchten der Mitsommernacht ab. Still und heimlich näherten sich die beiden Gruppen dem Feind, und gegen vier Uhr morgens, mit dem Sonnenaufgang, fielen sie über das russische Lager her, besetzten sofort alle unbewachten

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