Alaska
machten, und er gab Befehle wie ein kampferprobter Kriegsveteran. Trotzdem, auch wenn er manchen wie ein Hanswurst erschien, seine Tapferkeit und seine Rachegelüste gegen die Tlingits, die seine Schanze zerstört hatten, beflügelten seine Männer so sehr, dass sie bereit waren, ihm blind zu gehorchen.
Bevor er seine Männer jedoch in den eigentlichen Angriff führte, glaubte er sich moralisch verpflichtet - sich an Geschichten über vergangene Schlachten erinnern d, die er einst gelesen hatte - , dem Feind eine letzte Chance zu bieten, sich zu ergeben, und so schickte er also drei Russen mit der weißen Fahne des Parlamentärs los. Als sie sich der Festung der Tlingits näherten, rief der befehlshabende Offizier den Indianern zu: »Ihr kennt unsere Forderungen. Gebt uns Land, Geiseln, bleibt friedlich und handelt mit uns.«
Aus dem Inneren der Festung war ein Lachen zu vernehmen, dann eine Gewehrsalve, die in den Baumkronen über den Köpfen der Unterhändler auftraf. Die Männer, aus Angst, die nächsten Schüsse könnten auf sie gerichtet sein, hasteten zurück zur »Neva«, wo sie Baranov berichteten, wie man sie empfangen hatte, der daraufhin zu den Umstehenden nur sagte: »Stürmen wir ihre Festung«, und Kapitän Lisiansky schickte, wie vorher vereinbart, vier kleine Boote, schwerbewaffnet, ans Ufer, wo die Besatzung alle Tlingitkanus, die dort lagen, zerstörte. Die Schlacht hatte begonnen.
Baranov, gekleidet in eine Lederrüstung, sein Schwert gezogen, watete jetzt ans Ufer, gefolgt von seinen Männern. Er war entschlossen, die Mauer zu stürmen und die Übergabe zu erzwingen, und wurde von drei kleinen Feldgeschützen unterstützt. Mitten im Sturm hielt er plötzlich an, horchte, ob sich irgendetwas in der Festung der Tlingits regte, konnte kein Geräusch vernehmen, rief: »Sie haben sie aufgegeben, so wie sie den Berg aufgegeben haben« und führte, in dreister, törichter Siegerpose, seine Leute bis an die Mauer heran.
Kaum hatten sie sich auf Schussweite genähert, brach aus Hunderten von Gewehren ein Feuer über sie herein. Die Wirkung auf die Eindringlinge war verheerend, denn die unerwartete Salve traf viele mitten ins Gesicht.
Als sich die in Unordnung geratenen Reihen der Russen zurückzogen, stürmten die Tlingits durch das Haupttor, fielen über die verwirrten Männer her und töteten und verwundeten viele, da sie keinem Gegenfeuer mehr ausgesetzt waren. Wenn Kapitän Lisiansky nicht schnell zur Hilfe geeilt wäre, hätte es ein noch größeres Abschlachten gegeben. Die erste Schlacht war ein eindeutiger Sieg für die Tlingits, für Kommodore Baranov aber eine vernichtende Niederlage.
Zurück an Bord der »Neva«, enthüllte er seinen Offizieren eine schwere Wunde am linken Arm, und nachdem man ihn unter ärztlicher Aufsicht ins Bett gesteckt hatte, fasste Lisiansky die Ereignisse des Tages so zusammen: »Drei von meinen Leuten tot, vierzehn Russen verwundet und zahllose Aleuten, die beim ersten Gewehrfeuer wie die Kaninchen flohen. Aber wir haben einen Sieg errungen. Baranovs Wunde ist gerade so schwer, dass sie ihn davon abhält, noch einmal blind loszumarschieren. Ich werde jetzt den Sturm übernehmen und die Festung in die Luft jagen.«
Doch bevor sie mit dem Kanonenschuss anfangen konnten, gab es noch eine hässliche Vorwarnung, dass , wie beim Angriff auf die St.-Michael-Schanze, als alle anwesenden Russen getötet worden waren, auch jetzt nicht vonseiten der Indianer daran gedacht war, aufzugeben. Am Strand, fast in Schussweite der Pistolen ihrer Feinde, tauchten sechs Tlingitkrieger auf, die lange Speere vor sich hertrugen, auf deren Spitzen der Körper eines der getöteten Russen gelegt war. Auf ein Pfeifsignal ihres Anführers hin stießen sie ihre Speere ruckartig hoch, so dass sich die Spitzen noch tiefer ins Fleisch des Toten bohrten, bis sie blutrot am anderen Ende durchkamen. Dann, wieder auf ein Signal hin, senkten sie ihre Speere nach vorne, und die Leiche klatschte aufs Wasser.
Wenige Minuten darauf begann die Kanonade, und als die Nachricht kam, dass ein vierter Russe seinen Wunden erlegen war, verstärkten sie das Feuer noch. Die Beschießung dauerte zwei Tage, und ein besonders starkes Kommando unter Lisiansky durchkämmte das Gebiet vor der Festung, tötete jeden Tlingit, auf den es stieß, konnte aber dabei auch beobachten, dass der von Kot-le-an und Rabenherz errichtete große Holzzaun so dick war, dass er auch der größten Kanonenkugel standhielt.
»Wir werden
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