Alaska
Gefühl, wenn man die Zielgerade hinuntergleitet, ob nun als Erster oder als Letzter, das hält ein Leben lang vor.«
Normalerweise nahmen die jungen Männer, die aus Amerika herüberkamen, um sich mit den anderen zu messen, nur ein einziges Mal an diesem zermürbenden Rennen teil, kehrten dann nach Hause zurück, heirateten und widmeten sich wieder einer verantwortungsvolleren Tätigkeit in ihrem Familienunternehmen. Hinter ihren Schreibtischen jedoch prangte ein Leben lang die eingerahmte Urkunde, die besagte, dass sie 1978 am Iditarod-Rennen teilgenommen und das Ziel erreicht hatten - und das trennte sie von den gewöhnlichen Sportlern, die 1979 auf dem örtlichen Golfplatz mal ein As geschlagen hatten.
Der junge Mann, der die Hütte in Desolation bezogen hatte, um sich und seinen Hunden einmal das Erlebnis der echten Arktis zu verschaffen, war in vieler Hinsicht ein typischer Vertreter jener Eindringlinge - Absolvent der Stanford University, dreißig Jahre alt, fünf Jahre in der Leitung des Familienunternehmens tätig, geschieden von einer Frau aus der Schicht der oberen Zehntausend, die, als sie von seinem Entschluss , mit dreizehn Hunden zum Polarkreis zu emigrieren, erfuhr, ihren Freunden und Bekannten erzählte, ihr Mann leide an einer Geisteskrankheit -, aber er unterschied sich von ihnen auch in einigen wichtigen Punkten. Zum ersten war er Rick Venn, Spross der mächtigen Familie, die maßgeblich am Unternehmen Ross & Raglan in Seattle beteiligt war, zum zweiten verband ihn als einziger aller Neuankömmlinge eine gewisse historische Beziehung zu Alaska, und drittens hatte er als Enkel von Malcolm Venn und Tammy Ting indianisches und chinesisches Blut in sich, was ihn, wenigstens teilweise, als Ureinwohner erscheinen ließ. Seine Hautfarbe war so dunkel, und seine Gesichtszüge erinnerten so sehr an asiatische, dass er leicht als einer der vielen jungen Männer in Alaska gelten konnte, deren Ursprung zum Teil auf russische Vorfahren, zum Teil auf Ureinwohner zurückzuführen war.
Er unterschied sich von seinen Mitkonkurrenten aus Amerika außerdem noch dadurch, dass in seiner Hütte zwar dasselbe Durcheinander herrschte wie bei ihnen, aber er in seiner äußeren Erscheinung nicht viel anders auftrat als in Seattle: Er rasierte sich jeden Tag, schnitt sich regelmäßig mit einer scharfen Friseurschere die Haare und machte einmal die Woche große Wäsche. Mit den anderen teilte er nur die Zuneigung, die er zu seinen Hunden entwickelt hatte, und die liebevolle Fürsorge, wenn er mit ihnen arbeitete - im Sand, wenn kein Schnee lag, und in den tiefsten Verwehungen, wenn es geschneit hatte.
Polar war ein siebenjähriger Husky mit etwas Wolfsblut, das einige Generationen zurückreichte, und einem Schuss malamutischen Bluts, das erst kürzlich hinzugekommen war. Er war nicht gerade sehr groß, viele seiner Gefährten im Gespann waren größer, aber er war von ungewöhnlicher Intelligenz und daher unbestritten der Leithund. Perfekt auf seinen Herrn eingestimmt, bewegte er sich nur auf Ricks Kommando. Schlittenhunde waren so dressiert, dass sie bei »Ghee« nach rechts, bei »Haw« nach links abdrehten, hinzu kamen noch etwa ein halbes Dutzend anderer Rufe, jeder mit einer bestimmten Bedeutung. Polar nun hatte die außergewöhnliche Fähigkeit, Ricks Absicht fast vorauszuahnen, noch bevor sein Herr das Kommando brüllte, und führte die anderen Hunde stets geschickt in die richtige Richtung.
Waren die Hunde als Gespann auch noch so gut dressiert, solange sie im Geschirr ungeduldig warten mussten , kam es häufiger vor, dass sie sich gegenseitig ansprangen und die Zähne bleckten. Wenn man nicht umgehend einschritt, konnte das Anfauchen schnell in einen wilden blutigen Kampf ausarten. Hielt sich Rick gerade in der Nähe auf, unterband er die gefährlichen Spiele sofort, aber wenn das nicht der Fall war, trat Polar einen Schritt zurück, knurrte einmal böse, und schon hörten die Hunde mit ihren Kämpfen auf. Gerne auch biss er einem anderen Hund in die Fersen, wenn er meinte, er stelle sich krank oder wolle sich vor der Arbeit drücken, und immer war er es, der sich mit noch mehr Kraft nach vorne warf, wenn Rick Tempo verlangte. Polar war ein ganz außergewöhnlicher Hund, und wenn Schnee fiel, dann war es für ihn ein Vergnügen, das Gespann auf den 20, 30, ja bis zu 50 Kilometer langen Trainingsfahrten über die Tundra nach Osten anzuführen.
Da es in Desolation keine Touristenrestaurants gab, war auch
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