Alaska
Schiffe fast ganz alleine zu bauen und war immer sofort zur Stelle, wenn irgendwo Gefahr drohte. In dem schier endlosen Zwielicht des Frühjahrs blieb er achtzehn Stunden täglich auf den Beinen, und immer, wenn irgendwo etwas an den in Sankt Petersburg gezeichneten Bauplänen unverständlich war, entzifferte er es oder entschied sofort nach eigenem Gutdünken. Seine Gabe zu improvisieren war unglaublich.
Der Teer zum Abdichten der Schiffe zum Beispiel war unterwegs verlorengegangen, und es hatte keinen Sinn, irgendjemand dafür die Schuld zu geben. Irgendwo auf den 10.000 Kilometern von der Hauptstadt - vielleicht auf einem der Boote, die man gebaut hatte, um die zahlreichen, namenlosen Flüsse zu überqueren, vielleicht auf dem fürchterlichen Streckenabschnitt südlich von Yakutsk, vielleicht bei einem der beiden großen Schneestürme auf den Bergpässen der Halbinsel Kamtschatka - war der Teer verlorengegangen, und die »St. Gabriel«, wie sie ihr Schiff taufen wollten, konnte nicht in See stechen, wenn durch die unabgedichteten Ritzen und Fugen Wasser eingedrungen wäre und sie nach kaum einer halben Stunde versenkt hätte.
Tagelang schlug er sich mit diesem Problem herum, dann gab er den Befehl: »Fällt die Lärchen dort drüben«, und als man einen ordentlichen Stapel zusammenhatte, ließ er die Stämme der Länge nach spalten und destillierte aus der Rinde eine klebrige Substanz, die, mit saftigen Gräsern vermischt, eine brauchbare Dichtungsmasse abgab, und der Schiffsbau konnte weitergehen.
Es war jedoch eine andere Erfindung, mit der er sich bei seinen Männern besonders beliebt machte. Mit der Anfeuerung »Keiner soll mir mit einem Schiff in See stechen, das keine Spirituosen für die kalten Nächte an Bord hat« gab er ihnen die Anweisung, verschiedene Gräser, Wurzeln und Kräuter zu sammeln; und als er eine beträchtliche Menge zusammenhatte, baute er Geräte für einen Gärungsprozess auf, die nach anfänglichen Misserfolgen ein starkes Gebräu hervorbrachten, das er als Brandy bezeichnete und von dem sich die Männer einen reichlichen Vorrat anlegten. Von direkterem praktischen Nutzen waren andere Maßnahmen: Er ließ Meerwasser in Bottichen kochen, um seinen Salzvorrat aufzustocken, und gab Zhdanko den Auftrag, soviel Fisch wie möglich zu fangen, um Öl zu gewinnen, das sich anstelle von Butter verwenden ließ. Größere Fische wurden eingepökelt, denn Fleisch war nicht erhältlich, und starke, lange Grashalme ließ er zu Seilen flechten, die man in Notfällen gebrauchen konnte. In 98 Tagen, vom 4. April bis zum 10. Juli, baute sich dieser Mann ein seetüchtiges Schiff, mit dem eine der ersten Forschungsfahrten der Welt unternommen werden sollte, und nach einer Verschnaufpause von nur vier Tagen segelte er los.
Doch dann ereignete sich etwas, das wohl immer ein Geheimnis der See bleiben wird: Dieser wagemutige Mann, der so viel aufs Spiel gesetzt hatte, der dreieinhalb Jahre ein Ziel verfolgt hatte, segelte nur 33 Tage nordwärts, sah erneut den Winter auf sich zukommen, drehte bei und jagte zurück übers Meer zu seiner Basis in Kamtschatka, wo er 51 Tage nach dem Auslaufen wieder anlegte, obwohl die »St. Gabriel« Proviant für ein Jahr und Medikamente für vierzig Männer an Bord hatte.
Als das Frühjahr gutes Wetter brachte, stach er erneut in See, segelte unerschrocken drei Tage ostwärts, ließ sich dann aber entmutigen und fuhr zurück nach Ochotsk. Ironischerweise hielt er sich diesmal südlicher, wie Trofim Zhdanko es schon zwei Jahre zuvor empfohlen hatte, und umsegelte die Südspitze Kamtschatkas. Hätte er diese bequemere Route gleich beim ersten Mal eingeschlagen, hätte er monatelang im nördlichen Pazifik kreuzen können und sich die mühselige und schreckliche Durchquerung der Halbinsel während der Schneestürme sparen können. Es wurde nun Zeit, sich auf den Heimweg zu machen, und weil er sich jetzt auskannte in Sibirien, wusste, welche Strecken des Straßen- und Flusssystems gut und welche schlecht waren, schaffte er es nach Sankt Petersburg in der kurzen Zeit von sieben Monaten und vier Tagen. Seine heldenmütigen Reisen hatten über fünf Jahre gedauert, die eigentliche Forschungsfahrt auf See dagegen ganze drei Monate, von denen die Hälfte auch noch für Rückfahrten draufging.
Die Instruktionen, die man Bering ausgehändigt hatte, waren unpräzise, man kann also nicht behaupten, dass das Unternehmen gescheitert war. Natürlich lieferte er nicht den Beweis für
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