Alaska
am sibirischen Meer. Eine riesige Einöde ohne Anzeichen menschlicher Behausungen erstreckte sich bis zum Horizont, dazwischen Hügel und Berge und ungestüme Wasserläufe, die es zu durchwaten galt. Jeder Trupp wurde von Wölfen verfolgt, die nur darauf warteten, dass etwas geschah, einer der Männer erschöpft umfiel und sie ihr wehrloses Opfer hatten. Von Norden her wehte Schnee frühzeitig herüber, abwechselnd mit plötzlichen Hitzewellen von Süden. Ein Tagespensum festzulegen, mit der Erwartung, dass man es einhielt, war unmöglich, und gar eine Woche oder einen Monat vorauszuplanen undenkbar.
Wenn einem in dem einsamen Hochland dieser zur Verzweiflung treibenden Gegend doch mal ein einsamer Wanderer entgegenkam, dann gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder war es ein Mensch, der eine fremde Sprache sprach und von dem man keinerlei Information erhalten konnte, oder es war jemand, dem man die Zunge abgeschnitten hatte und der aus einem der Gefangenenlager, die man vom Weg aus nicht sehen konnte, entflohen war. Das war das Sibirien, das die Verbrecher und die Gegner der Monarchie im westlichen Russland so fürchteten, denn eine Freiheitsstrafe in dieser endlosen Eintönigkeit absitzen zu müssen bedeutete in der Regel den Tod. Und in jener Zeit gehörte die Region, die Flottenkapitän Bering jetzt zu durchqueren hatte, zu der schlimmsten des gesamten Landstrichs, so dass es gegen Herbstende, als nicht mal die Hälfte des Materials in dem Depot im Osten angekommen war, aussah, als würde er ein Flottenkapitän ohne Flotte bleiben.
Die Märsche zwischen den beiden sibirischen Städten waren so schrecklich, dass die Träger, als sie mit ihren schweren Lasten auf den Rücken taumelnd in Ochotsk ankamen, sofort erschöpft zusammenbrachen. Bering musste die schwierige Wegstrecke zu Pferde zurücklegen lassen, denn mit Wagen und Schlitten konnten die Berge und Sumpfebenen nicht bewältigt werden, selbst Lastschlitten blieben im Schnee stecken. Zhdanko blieb zunächst zurück, um die Güter zu bewachen, ritt dann aber - seine letzten Energien zusammenreißend - selber zweimal hin und her.
Als er, abgemagert und todmüde, das letzte Bauholz ranschleppte, hatte er erwartet, mit einer Pause belohnt zu werden, noch einmal einen solchen Marsch hätte er nicht geschafft, da war er sich sicher. Dann setzte der erste Winterschnee ein, und er erfuhr, dass eine kleine Gruppe seiner Männer noch immer in dem Ödland gefangen war, und ohne dass Bering ihn zu bitten brauchte, noch einmal loszugehen und sie zu retten, hatte sich Zhdanko schon bereit erklärt: »Ich werde sie da rausholen.« Er marschierte mit ein paar Männern, ähnlich robust wie er, die schneebedeckten Pfade zurück, die Eingeschlossenen und die wichtigen Güter zu holen. Es musste eine göttliche Fügung gewesen sein, denn es zeigte sich, dass die Schlittenfracht viele der Werkzeuge enthielt, die die Schiffsbauer dringend benötigen würden.
Bering und seine Männer standen vor dem dritten Winter seit ihrem Abmarsch, aber erst jetzt begannen die eigentlichen Schwierigkeiten, denn ohne gutes, geeignetes Material und ohne die nötige Erfahrung sollten sie zwei Schiffe bauen. Es wurde entschieden, dass sich dies am günstigsten nicht in der Siedlung Ochotsk, sondern auf der Halbinsel Kamtschatka bewerkstelligen ließ.
Nachdem diese fragwürdige Entscheidung einmal gefällt war, standen sie vor dem nächsten komplizierten Problem: Mit einem hastig zusammengebauten Behelfsschiff, das von Ochotsk aus segelte, würden sie immer auf die Westküste der Halbinsel stoßen, die eigentliche Forschungsfahrt aber sollte von der Ostküste aus ihren Anfang nehmen. An welcher Küste also sollten die Schiffe gebaut werden? Als Bering wie üblich seine Untergebenen um Rat fragte, wurden sehr schnell zwei Meinungen deutlich. Alle Europäer und die, die in Europa ausgebildet worden waren, sprachen sich dafür aus, nach der Landung an der Westküste das Hochland der Halbinsel zu überqueren und die Schiffe auf der Ostseite zu bauen: »Dann haben wir freie Fahrt, unser Ziel anzusteuern.« Die Russen, allen voran Trofim Zhdanko, der sich in den nördlichen Gewässern auskannte, hielten dagegen, dass es vernünftiger sei, die Schiffe an der Westküste zu bauen, der näheren also, mit ihnen die Südspitze der Halbinsel zu umsegeln und dann wie geplant Richtung Norden mit der eigentlichen Forschungsfahrt zu beginnen.
Zhdankos Empfehlung klang plausibel, denn der mörderische Transport
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