Alba und Albion
Verantwortung lag nun bei mir.“
Ganz in seinen Gedanken versunken, blieb er stehen und starrte auf den Boden. Anscheinend hatte er meine Begleitung vergessen. Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper und er tätschelte meine Hand.
Wir gingen weiter.
Wie sich nach kurzer Zeit herausstellte, schien einer der hiesigen Herren aus der Region an seinem Grund und Boden interessiert zu sein und hatte deshalb diese offensichtlich falschen Beschuldigungen in die Welt gesetzt. Robbie machte sich unverzüglich auf den Weg und stellte den besagten Herrn zur Rede. Bei dem Gespräch kam heraus, daß er im Auftrag eines Engländers gehandelt hatte. Es kam zum Streit und Robbie wurde aus dessen Anwesen gewiesen.
Am nächsten Morgen war der Herr tot.
Erdrosselt.
Alles schien dafür zu sprechen, daß Robbie diese schreckliche Tat begangen hatte.
„Ich war unschuldig, konnte es aber nicht beweisen, da ich in der besagten Nacht nicht zuhause war. Meine Wut über diesen Rauswurf und den unsinnigen Tod meines Vaters war übermächtig und ich zog es vor, die Nacht alleine im Freien zu verbringen, um mich zu beruhigen. Als ich am nächsten Morgen in unseren Hof ritt, wurde ich bereits von Dragonern erwartet.“
Unwillkürlich ballte er die Hände und sein Körper versteifte sich. Um ihn zu beruhigen, berührte ich ihn mit der anderen Hand am Arm.
„Vielleicht wissen sie es ja inzwischen. Daß Sie unschuldig sind, meine ich.“ Es sollte beruhigend wirken, aber anscheinend hatte es seine Wirkung verfehlt.
Er riß sich los und marschierte ein paar Schritte vorwärts, während ich auf der Stelle stehen blieb, erschrocken von seinem Verhalten.
Mit großen Schritten kam er zurück und aus seinem Gesicht blickte nichts als Schmerz. Eine schwarze Locke tanzte lustig auf seiner Wange, wie ich irrsinnigerweise bemerkte.
„Weißt du, was mir angetan wurde? Für nichts mußte ich in einem dreckigen englischen Gefängnis sitzen! In Ketten, da ich mich sonst selbst umgebracht hätte!“
Schwer hob er die Fäuste, als ob er an den Gelenken noch immer die Ketten trug.
Ich schrak zurück. Doch daß er mich plötzlich wieder mit Du ansprach, verstärkte in mir ein Gefühl der Verbundenheit und es störte mich nicht.
Mit einer fahrigen Handbewegung strich er seine Haare zurück.
„Drei Jahre.“
Jetzt sprach er wieder ganz ruhig.
„Drei Jahre meines Lebens wurden mir gestohlen. Drei Jahre im Dreck, mit wirklichen Mördern und sonstigem Abschaum zusammen gekettet. Unter Engländern.“
Angewidert spukte er aus, holte noch einmal tief Luft und lächelte mich freudlos an, während ich hörbar schluckte. Ich war erschüttert.
„Aber du bist doch jetzt wieder frei. Dann bist du doch unschuldig!“ Ich konnte ihn nicht verstehen. Es war mit Sicherheit eine schlimme Erfahrung für ihn gewesen und irritiert blickte ich ihn an.
„Nach diesen drei Jahren wurde ich plötzlich freigelassen. Als Begründung nannte man die fehlende Beweiskraft, ob ich der wirkliche Mörder bin. Aber da dies noch immer nicht ganz aufgeklärt ist, stellte man mich vor die Wahl: Entweder weiterhin in Ketten auf den Prozeß zu warten oder bei einem der umliegenden Herren Dienst zu tun. Dabei dürfte ich die Region nicht verlassen, bis entschieden worden ist, was mit mir passiert.“
Ich schloß kurz meine Augen und konnte ihn sehen: Angekettet, verdreckt, ängstlich und - einsam.
„In Wahrheit vermutet man, daß ich wie mein Vater ein Spitzel von irgendeinem Exilanten sein soll. Und wenn sie mich frei lassen, denken sie, nehme ich irgendwann die Kontakte wieder auf!“
Er schnaubte verächtlich.
„Da können sie lange warten. Sie haben keinerlei Beweise! Genauso wenig wie bei meinem Vater!“
Mit der Faust schlug er gegen einen Baum am Wegrand, daß es raschelte.
„Niemand hier kennt meinen Namen. Ich habe einen und darf ihn trotz allem nicht nennen, weil man dann sofort auf mich aufmerksam wird. Sonst werde ich nie meine Ruhe haben und deshalb behaupte ich auch, die englische Krone hat meinen Namen geraubt, verstehst du?“
Verstanden hatte ich kein Wort, doch ich nickte.
„Wenigstens bist du jetzt frei und am Leben. Das ist doch das Wichtigste, finde ich.“ Meine Stimme klang belegt. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, fragte ich ihn: „Wie alt bist du?“
Ich empfand es als äußerst blöde Frage, wollte es trotz allem aber wissen.
Erstaunt sah er mich an, nickte aber höflich. „Geboren am achten März im Jahre des Herrn
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