Alba und Albion
Aber irgendwann kann ich nicht mehr an ihre Unschuld glauben.“ Noch immer haftete sein Blick auf mir.
Verschämt senkte ich den Blick und sah auf meine ruinierten gelben Saffianschuhe, die ich noch gar nicht zur Kenntnis genommen hatte und versuchte sofort, sie unter meinem Rock zu verstecken. Vater bemerkte es und tobte sofort wieder los.
„Nun seht euch meine Tochter an! Dreckig von oben bis unten. Die Haare schmutzig wie die einer Bauersfrau!“ Zornig hieb er mit der Faust auf den Esstisch und das Geschirr darauf klirrte laut. Mamma schreckte hoch und hielt sich das Tuch an die Augen.
„So geht es nicht weiter! Und sieh mich an, wenn ich mit dir spreche!“
Er schrie, stand vor mir mit einem vor Zorn hochroten Gesicht und seine Perücke hatte sich leicht verschoben.
Widerwillig hob ich den Kopf und versuchte, durch ihn hindurch zu sehen. Nur so konnte ich es vermeiden, dass seine Worte mich verletzten.
„Ab sofort gibt es keine Ausritte mehr! Du wirst bis zu deiner Hochzeit in deinem Zimmer bleiben! Du wirst es nur verlassen, wenn ich es dir erlaube!“
„Aber die ist doch erst in drei Wochen!“, gab ich entsetzt zurück. „Willst du mich denn so lange einsperren?“
Trotz der Gefahr hin, alles noch schlimmer zu machen, blitzte ich ihn herausfordernd an.
„Jawohl, das will und das werde ich auch!“ Nun brüllte er so laut, daß sogar ich zusammen zuckte.
Wenn er so weitermacht, platzt er, waren irrsinnigerweise meine einzigen Gedanken in diesem Moment. Fast hätte ich gelacht, als ich seine Halsadern hervorquellen sah, doch ich konnte mich gerade noch zusammenreißen. Mit ernster Miene sah ich ihn an, wie er auf und ab schritt, die Hände auf dem Rücken verschränkt.
„Du wirst dieses Haus erst wieder als Lady Stephen Miller verlassen! Hat das dein winziges Spatzenhirn endlich kapiert?“ Er schrie noch immer.
Ich trat ein paar Schritte auf ihn zu, sah ihm feindselig in die Augen und zischte ihm leise zu. „Und wenn ich Nein sage, was machst du dann?“
Er holte mit der Linken heftig aus, ich verlor das Gleichgewicht und landete unsanft auf dem Teppich. Erstaunt hielt ich mir die brennende Wange. Mamma stürzte auf mich zu und Mary half mir stöhnend auf, während Vater genervt zum Fenster ging und sich mit beiden Händen über sein recht schütteres Haar strich. Die Perücke hatte sich beim Ausholen selbständig gemacht und lag nun am Boden. Bei deren Anblick der Perücke dachte ich an einen kleinen verknäulten Hund und begann abwechselnd hysterisch zu lachen und zu schluchzen.
„Oh mein Gott, was ist bloß los in diesem Haus“, murmelte Mary ununterbrochen und versuchte, mein Haar zu ordnen. Ungeduldig schüttelte ich sie ab und wandte mich an meinen Vater.
„Wenn du es gestattest, dann ziehe ich mich jetzt zurück.“
Noch immer rieb ich mir die Wange und ohne auf seine Antwort zu warten, ging ich zur Tür.
„Wir sind noch nicht fertig, junge Dame! Du kommst sofort hierher!“
Sein donnernder Befehl ließ mich auf der Stelle verharren. Mit bebendem Finger zeigte er auf den Fleck, zu dem ich mich begeben sollte, noch immer knallrot im Gesicht.
„Nein. Ich bin fertig mit diesem Thema. Gute Nacht.“
Eilig rannte ich in meine Räume, einen tobenden Vater im Rücken und eine schnaufende Mary hinter mir.
Im Zimmer angekommen, lehnte ich mich erschöpft gegen die Wand. Es klopfte leise.
„Was ist denn noch!“, rief ich genervt. Ich wollte nur noch Ruhe und meine Wunden lecken.
„Laß mich rein, Kindchen.“
Mamma!
Hastig öffnete ich und gemeinsam mit Mary schob sie sich ins mein Reich.
Da ich nicht wollte, daß sie meine aufsteigenden Tränen bemerkten, ging rasch zum Fenster und ließ kühle Abendluft hinein. „Reiß‘ dich zusammen“, ermahnte ich mich leise und schluckte den Kloß herunter.
Mary schlurfte geknickt in die Kleiderkammer und gab vor, Ordnung schaffen zu müssen. Nun war ich alleine mit Mamma, die nervös an ihrer Halskette herumfingerte.
„Was ist bloß los mit dir, Susanna? Ich dachte immer, du wärst glücklich mit Stephen. Ihr habt euch doch immer gut verstanden.“
Sie mußte mein gequältes Gesicht gesehen haben, denn sie sah mich erschrocken an und vielleicht war es besser, wenn ich ihr jetzt alles sagte. Ich holte tief Luft und hoffte, daß mich mein spärlicher Mut jetzt nicht verlassen würde. Ich trat vor den Kamin und blickte in die Flammen.
„Mamma“, sagte ich ruhig. „Was ich dir jetzt sage, ist nicht leicht für mich
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