Albert Schweitzer
Weltwissenschaft“ unter der Schirmherrschaft der UNO die Folgen fortgesetzter atomarer Versuchsexplosionen deutlich zu machen. Old-field bat Schweitzer um eine Stellungnahme zu diesem Vorschlag; er möge ihm mitteilen, welche Vorstellungen er habe, wie dieser schrecklichen Bedrohung für die Menschheit zu begegnen sei.
Schweitzer antwortete, und mit dieser Antwort trat er den Weg in die Öffentlichkeit an: „Die Folgen der Wasserstoffbomben-Explosionen bilden ein höchst beängstigendes Problem, doch eine Wissenschaftlerkonferenz ist meiner Ansicht nach nicht das geeignete Mittel, mit dem Problem fertig zu werden. Es gibt heute in der Welt zu viele Konferenzen und es werden zu viele Beschlüsse gefasst. Erforderlich wäre, dass die Welt auf die Warnrufe der einzelnen Wissenschaftler hörte, die dieses furchtbare Problem verstehen.“
In diesem Antwortschreiben, das zunächst im
Daily Herald
(14. April 1954), später in anderen englisch- und deutschsprachigen Zeitungen veröffentlicht wurde, trat Schweitzer weiter dafür ein, dass möglichst viele kompetente Wissenschaftler ihre Stimme erheben sollten, um dadurch die furchtbare Wahrheit bekannt zu machen und die Machthaber unter Druck zu setzen.
Das Problem der Atomwaffen und der atomaren Versuchsexplosionen sollte ihn bis an sein Lebensende nicht mehr in Ruhe lassen. Der Schritt in die Öffentlichkeit mit all seinen Konsequenzen – Verleumdungen, Verdächtigungen, Diffamierungen, Anschuldigungen – war getan. Schweitzer wollte sich der Verantwortung, die sein Ruf als „Gewissen der Menschheit“ und sein Ruhm mit sich gebracht hatten, nicht entziehen.
In der Folgezeit setzte sich Schweitzer wissenschaftlich intensiv mit der für ihn neuen Materie auseinander. Wenn er sich in einer so heiklen, hochbrisanten Problematik in die öffentliche Diskussion einbringen würde, so wollte er sich nicht mit moralischen Appellen begnügen, sondern mit sach- und fachkundigen Argumenten seine Position vertreten. Dies war nicht anders von ihm zu erwarten; den Anspruch auf wissenschaftliche Fundierung hat er immer an sich gestellt.
Am 4. November 1954 nahm Albert Schweitzer in Oslo den Friedensnobelpreis entgegen. In seiner Rede anlässlich der Preisverleihung nahm er erstmals ausführlich Stellung zum „Problem des Friedens in der heutigen Welt“. Zu Beginn seines Vortrags analysierte Schweitzer die politische Situation, die sich aus den furchtbaren Erfahrungen der beiden Weltkriege ergebenen hatte. Aufgrund der geschichtlichen Entwicklungen, die sich jeweils nach den Weltkriegen manifestierten, kam Schweitzer zu dem Ergebnis: „Überaus bezeichnend fürdie Lage, in der wir uns nach dem Zweiten Weltkrieg befinden, ist, dass auf ihn kein Friedensschluss folgte. Nur in Abkommen, die den Charakter von Waffenstillständen hatten, kam er zu Ende. Weil wir zu einer auch nur einigermaßen befriedigenden Neuregelung der Dinge nicht fähig sind, müssen wir uns mit solchen von Fall zu Fall geschlossenen Waffenstillständen, von denen niemand weiß, was aus ihnen wird, zufriedengeben.“ Als wirklicher Friede konnte der Zustand nach dem letzten Weltkrieg nicht bezeichnet werden. Er war nichts weiter als ein fragiler Zustand des Waffenstillstands, und die beiden großen Siegermächte USA und Sowjetunion standen sich fortan als konkurrierende Machtblöcke gegenüber. Schweitzer fragte nun weiter, was sich daraus für das Problem des Friedens ergäbe, und er hob hervor, dass durch die Weltkriege eine vollkommen neue Qualität des Krieges entstanden sei, die der Massenvernichtung: „Wir haben uns in den letzten beiden Kriegen grausiger Unmenschlichkeit schuldig gemacht und würden es in einem kommenden noch weiter tun. Dies darf nicht sein.“ Als Grund für die grausame Unmenschlichkeit nannte Schweitzer, dass der Mensch zum Übermenschen geworden sei. „Sein Übermenschentum besteht darin, dass er aufgrund seiner Errungenschaften des Wissens und Könnens nicht nur über die in seinem Körper gegebenen physischen Kräfte verfügt, sondern auch solchen, die in der Natur vorhanden sind, gebietet und sie in den Dienst nehmen kann. Als Mensch kann er zum Töten aufEntfernung nur die körperliche Kraft verwenden, mit der er den Bogen spannte, um mit ihm den Pfeil zu verschicken. Als Übermensch kommt er dazu, sich die Energie, die bei der raschen Verbrennung eines gewissen Gemisches von chemischen Stoffen frei wird, durch eine dazu erfundene Vorrichtung zunutze zu machen. Dies erlaubt
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