Albertas Schatten
zurückzurufen. Das war wieder so ein Tag.
Auch beim Dinner, als sie Reed von ihrem Plan erzählte, wurde er nicht spürbar angenehmer. »Soweit wir wissen, ist Alberta in England verschwunden«, stellte er fest. »Warum also in Kalifornien nach ihr suchen? Nur weil irgend so ein merkwürdiger Heini ihren Namen mit einer großartigen Frau in Verbindung gebracht hat, die im Themenkreis ›Geschichte der Bewußtseinsformen‹ Vorlesungen an der kalifornischen Küste hält?«
»Ich gebe zu, es klingt nicht umwerfend logisch, wenn du es so ausdrückst«, sagte Kate. »Aber irgendeine Verbindung besteht da, unabhängig von Stan Wyman.«
»Es ist genau diese Art von Verbindung, die ich so zwingend logisch finde. Wenn ich mich recht erinnere, hat der Ehemann dieser
›großartigen‹ Frau 1980 in Texas in einem Seminar ein Referat über Robert Graves gehalten; in demselben Seminar hat jemand anderer, der nichts mit der ersten Person zu tun hatte, ein Referat über Charlotte Stanton gehalten und Alberta Ashby kennengelernt.«
»Mit welch klarem Verstand du die Dinge doch betrachtest«, sagte Kate und schenkte ihm Wein nach. »Irgendwie hielt ich die Bin-deglieder für nicht so schwach.«
»Warum gibst du nicht einfach zu, daß du nach einer Ausrede suchst, um nach Kalifornien fahren zu können.
Wie die Sekretärin an dem College der Heffenreffer gesagt hat, müssen alle Universitätslehrer früher oder später Kalifornien einen Besuch abstatten; so wie die Christen ins Gelobte Land fahren. Ich war einmal in Kalifornien und fand es langweilig, obwohl ich zugeben muß, daß die Bay Area möglicherweise besser ist – besseres Klima, bessere Politik, schönere Landschaft.«
»Möchtest du mitkommen?« fragte Kate. »Alle sagen, San Francisco sei herrlich. Wir können eine Woche lang mit Taucheranzügen tiefseetauchen und Alfalfa essen.«
»Sehr amüsant. Die juristische Fakultät hat nicht so lockere Stundenpläne wie der Rest der Universität. Hier muß man eine bestimmte Anzahl von Tagen im Jahr anwesend sein und sich zur rechten Zeit nach den besten Jobs umsehen. Außerdem glaube ich, es ist gut, dich fliegen zu lassen; du freust dich immer aufs Heimkommen und bist dann besonders entgegenkommend, wie ich bemerkt habe.«
»Wenn ich normalerweise nicht entgegenkommend bin, warum zahle ich dann die Telefonrechnungen und gehe auf Parties für Larrys Kollegen?«
»Ich habe nicht gesagt, du seist nicht entgegenkommend; ich ha-be gesagt, wenn du heimkommst, bist du besonders entgegenkommend, liebevoll und so.«
»Ich habe nicht den Eindruck, daß die juristische Fakultät deiner Entwicklung zuträglich ist«, sagte Kate. »Schon aus diesem Grunde werde ich dir keine Postkarte mit einem Seehund schicken und auch keine mit einem Roten Sandelholzbaum darauf.«
»Das wirst du doch tun«, sagte Reed. »Und es wird sich herausstellen, daß Mary Louise Heffenreffer die Schlüsselfigur für deine Nachforschungen ist. Dein Instinkt hat immer recht.«
»Aber wird sie mich sehen wollen?«
»Wenn sie ablehnt, wirst du Lillian hinschicken müssen, die dann so tun muß, als hätte sie eine Leidenschaft für obskure Italiener des fünfzehnten Jahrhunderts und ihre Stellung in der Geschichte der Bewußtseinsformen.«
»Wäre es dir lieber, sie würde Jura studieren, wie alle anderen in meiner Familie?« fragte Kate.
»Auf jeden Fall lieber, als daß Lillian Watson spielt«, sagte Reed und erhob sein Glas. »Warum versuchst du nicht nochmal, in Santa Cruz anzurufen? Deine Hauptverdächtige könnte gerade nach Hause gekommen sein.«
»Sie ist keine Verdächtige«, sagte Kate. »Oder doch?«
»Du mußt immer jeden verdächtigen. Sogar Charlie und Toby.
Vergiß das nicht.«
»Nein«, sagte Kate. »Das werde ich nicht.« Sie ging, um ihren Anruf zu tätigen.
Mary Louise war nicht gerade erst nach Hause gekommen, sie machte den Kindern das Abendessen. Natürlich, die Kinder, dachte Kate. Biddy erklärte, daß sie alle in einem der Colleges lebten –
»bitte nennen Sie mich Biddy, alle nennen mich so, auch die Kinder«
-; Santa Cruz sei nämlich in unterschiedliche Colleges aufgeteilt, alle mit eigenen Programmen. »Es ist etwas schwierig zu erklären, aber es wird verständlicher, wenn Sie es sehen. Ich bin im Cowell College, in dem es Apartments für Gastdozenten gibt.« Kate hatte vor-sorglich noch einmal mit dem Kollegen gesprochen, der sie über Pulci informiert hatte, und durfte mit seiner Erlaubnis seinen Namen nennen.
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