Albertas Schatten
im Raum war und man mitten an einem sonnigen Nachmittag Licht anmachen mußte.
Es war hilfreich, daß ihr Biddy auf den ersten Blick sympathisch war; so brauchten sie einander nicht wie dressierte Tiere auf neutra-lem Boden zu umkreisen. Kate hatte bemerkt, daß Biddy wahrscheinlich annahm, sie wäre wegen irgendeines Jobangebots nach Santa Cruz herübergekommen, oder in der Hoffnung auf einen Job-wechsel. Höflich wartete sie darauf, daß Kate den Grund ihres Besuchs erklärte. Aus einem momentanen Angstgefühl heraus fragte Kate aber erst einmal nach Pulci. Biddy antwortete mit einer Zusammenfassung ihrer neuesten Theorien, die sie in ihrem kürzlich bei der MLA gehaltenen Referat dargelegt hatte; Kate sagte nicht, daß sie es kannte. »Kennen Sie Alberta Ashby, und wissen Sie, warum sie verschwunden ist?« wäre eine allzu direkte Frage gewesen.
Andererseits war Alberta kein Gesprächsthema, zu dem man leicht eine subtile Überleitung finden konnte. Es könnte ja sein, daß Biddy sie überhaupt nicht kannte, und Kate würde schwerlich sagen können, daß irgend so ein entsetzlicher Mann glaubte, Alberta hätte ein Verhältnis mit Biddys Mann gehabt.
»Ich fürchte, das, was ich Sie fragen möchte, ist ziemlich schwierig«, sagte Kate. »Vor einiger Zeit hatte ich Gelegenheit, das Tagebuch einer recht ungewöhnlichen Frau zu lesen; falls sich herausstellt, daß es Sie überhaupt interessiert, will ich Ihnen gerne erzählen, wie es zu der ganzen Sache gekommen ist. Ich habe festgestellt, daß sie mir gefiel und daß ich sie gerne kennenlernen wollte; als ich aber herausfinden wollte, wo sie war, hatte es den Anschein, als sei sie verschwunden.« Kate machte eine Pause, aber Biddys Gesicht zeigte nichts als echtes, oder zumindest höfliches Interesse; sie wartete auf den eigentlichen Sinn der Erzählung.
»In irgendeinem Zusammenhang wurde Ihr Name erwähnt«, fuhr Kate fort, »eher zufällig, aber ich fragte mich trotzdem, ob vielleicht Sie mir sagen könnten, wo sie ist oder ob Sie sonst noch etwas über sie wissen.«
»Sicher, wenn ich kann«, sagte Biddy und lächelte verwundert.
»Ihr Name ist Alberta Ashby«, sagte Kate.
Auf jede Reaktion war Kate vorbereitet – alles von einem Stirn-runzeln bis zu einem Ausruf des Erinnerns –, nicht aber auf diesen Laut des Erstaunens, der von Biddy kam; es war schon beinahe ein Schmerzenslaut. »Ist ihr etwas zugestoßen?« fragte Biddy. »Ist sie nicht mehr auf der Farm? Wir stehen seit über einem Jahr nicht mehr in Verbindung, außer daß sie mir anfangs hin und wieder eine Postkarte schickte, auf der nichts weiter stand, als ›Mir geht es gut, schö-
ne Kühe‹ und so weiter. Es geht ihr doch gut, nicht wahr?«
»Ich vermute, Sie kannten sie – kennen sie gut?«
»Mein Gott, was ist passiert?« sagte Biddy, sichtlich betroffen.
Kate war entsetzt über das, was sie angerichtet hatte. Verdammt, bist du plump gewesen, sagte sie zu sich selbst. Laut sagte Kate: »Es tut mir leid; ich fürchte, ich war ungeschickt und dumm. Könnten wir wohl einander alles erzählen, was wir über Alberta Ashby wissen?«
»Ich weiß nicht«, murmelte Biddy. Kate spürte den Schmerz dieser Frau. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft bemerkte sie, daß Biddy wirklich ungeheuer attraktiv war, aber nicht auf eine Weise, die Kate gefangen hielt, wie das bei manchen Frauen der Fall war. Entgegen Stan Wymans Beschreibung war sie weder so phantastisch herausge-putzt, daß das Auge des Betrachters wie von einer guten Vorführung gefangen wurde, noch war sie auffallend sexy; sie war einfach schön auf eine ruhige, fast zurückhaltende Weise, beinahe als ob sie, wissend um ihre Fähigkeit, die Leidenschaft der Männer zu entfachen, alles getan hätte, diese Fähigkeit zu verbergen. »Ich weiß doch überhaupt nichts über Sie«, antwortete Biddy. »Was wollen Sie wirklich?«
Biddy kannte Alberta Ashby, das lag auf der Hand. Was konnte Kate verlieren, wenn sie Biddy die ganze Geschichte von Anfang bis Ende erzählte und als Gegenleistung auf Biddys Bericht hoffte? Aber Kate konnte zu diesem Zeitpunkt wohl kaum Biddys Einverständnis mit solch einem Handel erwarten. Ich habe es vermasselt, dachte Kate. Ich muß ihr die ganze Geschichte anvertrauen in der Hoffnung, daß auch sie mir dann ein bißchen vertraut. Wenn sie Alberta etwas angetan hat, was kann ich dann mit meiner Story schon für einen Schaden anrichten? Wenn sie Alberta aber wohlwill, kann ich ihr viel helfen. Sie kann natürlich
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