Albertas Schatten
uns ein vernünftiges Rück-versicherungssystem ausgedacht. Ein solches Risiko hilft Alberta überhaupt nicht, möchte ich dir noch sagen.«
Kate bemühte sich sehr, ruhig zu sprechen. »Reed, du siehst sicher ein, daß ich mich nicht einfach zurücklehnen kann und zu-schauen, wie er mit dem Mord an ihr davonkommt, ohne daß ich wenigstens versuche herauszufinden, was überhaupt geschehen ist.
Und du kennst Polizei und Staatsanwaltschaft gut genug, um zu wissen, daß man mir keine Minute zuhören würde – ja nicht einmal dir. Habeas corpus und so weiter. Ich weiß, das bedeutet nicht, daß man unbedingt eine Leiche braucht, aber es bedeutet, daß man zumindest einen Fall braucht; und alles, was wir haben, sind eine ver-schwundene Alberta und wilde Vermutungen. In diesem Punkt kannst du mir wohl kaum widersprechen, oder?«
»Warum reden nicht wir beide mit ihm?«
»Du meinst, wir sollten ihn einladen, hier einen geselligen Abend mit einem alten Ehepaar zu verbringen, und ihn einfach eine Stunde nach seiner Ankunft fragen: ›Ach übrigens, wo haben Sie denn ihre Leiche hingebracht?‹«
»Warum hältst du es für wahrscheinlicher, daß er etwas erzählt, wenn du dich allein mit ihm triffst?« fragte Reed.
»Es ist logischer«, sagte Kate. »Er ist auf denselben Zeitraum spezialisiert wie ich. Ich kenne seine Arbeiten über Graves, und ich könnte ein neuerwachtes Interesse an Charlotte Stanton andeuten, über die ich inzwischen recht umfassende Kenntnisse besitze, das kannst du mir glauben. Er weiß nicht, daß ich Biddy kenne, dessen bin ich ziemlich sicher. Es besteht die Möglichkeit, daß er meine Anzeige gelesen hat und daß ihn das mißtrauisch macht, aber deshalb wird er kaum meine Einladung ablehnen können; er muß sie sogar annehmen. Meine Einladung, Reed, siehst du das denn nicht ein? Ich könnte Erfolg haben, aber nicht bei einem geselligen Bei-sammensein mit meiner besseren Hälfte an meiner Seite. Ich muß ihn alleine sehen; das ist die einzige Möglichkeit, überhaupt etwas zu erreichen. Das siehst du doch ein. Was ich ganz besonders an dir liebe, ist deine Fähigkeit, die Dinge ehrlich zu betrachten und nach-zugeben.«
»Wie wäre denn folgende Lösung, Kate? Du nimmst Verbindung mit ihm auf, verabredest ein Treffen und bringst ihn dazu – mit welchen Mitteln, ist mir egal – hierherzukommen. Ich werde nicht in Erscheinung treten; du kannst ihm sagen, du bist alleine, oder ihn das einfach annehmen lassen. Aber ich möchte in der Wohnung sein und hören können, was vor sich geht.«
»Reed, ich will nicht auf Tonband aufnehmen, was er sagt. Ich kann dir nicht sagen, warum, aber es widerstrebt mir. Ein Gespräch auf Tonband aufzunehmen, ohne daß der Gesprächspartner das weiß, ist für mich ein Musterbeispiel dessen, was heutzutage falsch ist in unserer Welt.«
»Zugegeben. Aber dann wirst du ihn eher mit dem Mord an Alberta laufen oder auch dich zum Schweigen bringen lassen, ohne daß es jemand merkt.«
»Das ist die Sache mit dem Zweck und den Mitteln, Reed. Am Ende heiligt stets der Zweck die Mittel. So fängt immer alles an.
Unsere Motivation ist rein, also ist es ganz in Ordnung, wenn wir genau das tun, was auch Schläger und Tyrannen tun.«
»In Ordnung, kein Tonband. Laß uns einen Kompromiß schlie-
ßen: Wir werden es so einrichten, daß ich bei dem Gespräch zuhören kann. Auf diese Weise kann ich die Polizei rufen, falls nötig, oder dir selbst zu Hilfe kommen; ich kann auch bezeugen, was er gesagt hat, obgleich ich kaum den Augenblick vor Gericht abwarten kann, wenn ich im Kreuzverhör gefragt werde, warum ich das Gespräch nicht aufgezeichnet habe, und ich antworte: ›Weil meine Frau Tonbandgeräte unmoralisch findet‹. Mach dir nichts daraus; ich bin auf deiner Seite, solange du auch auf der meinen bist. Schließlich hätte ich viel früher und nicht gerade dich geheiratet, wenn ich mein Leben mit einer vernünftigen Frau hätte zubringen wollen. Aber du mußt dich bereitfinden, ihn hier zu treffen und deinem Pfadfinderherzen gleichzeitig zu sagen: ›Ich bin allein.‹ Nur Mut! Vielleicht fragt er gar nicht und nimmt es einfach an.«
Kate schwieg mit geschlossenen Augen – so lange, daß Reed sich fragte, ob sie eingeschlafen sei. Dann schaute sie ihn an. »Du hast gewonnen«, sagte sie nur.
Es stellte sich heraus, daß es leichter war, Martin Heffenreffer in die Wohnung zu bekommen, als Kate jemals zu hoffen gewagt, ge-schweige denn erwartet hätte. Als sie ihn
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