Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Albtraum

Albtraum

Titel: Albtraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Spindler
Vom Netzwerk:
Kate. Das tue ich heute noch.“
    Gerührt überlegte sie, dass Richard ihr das in all den Jahren des Zusammenlebens nie gesagt hatte. „Das war der Punkt. Es lag nicht an dir, Luke. Ich habe immer an dich geglaubt, an deine Stärke, an deinen Charakter und an dein Talent. Nur an mich habe ich nicht geglaubt.“
    Er wollte etwas erwidern, doch sie legte ihm sanft die Finger auf die Lippen. „Ich wollte Künstlerin werden, aber ich hatte Angst, wie meine Eltern zu en den, die Miete nicht zahlen zu können und die Zukunft meiner Kinder zu opfern. Ich gingzur Schule in den abgelegten Kleidern anderer und mit Schuhen, die mit Karton ausgestopft waren, damit man die Löcher in den Sohlen nicht so merkte. Ich hatte mir geschworen, so etwas weder mir noch meinen Kindern anzutun.“
    „Ach, Kate …“ Er ließ die Finger durch ihr Haar gleiten, das auf dem Kissen ausgebreitet war.
    Sie ergriff seine Hand und führte sie an ihre Lippen. „Ich hatte Angst“, flüsterte sie. „Zu viel Angst, das zu tun, was ich wirklich wollte, und meinen Gefühlen für dich eine Chance zu geben. Ich bedaure das. Und es tut mir Leid, dass ich dir weh getan habe.“
    Luke stützte sich auf einen Ellbogen, sah sie einen elektrisierenden Augenblick nur an, neigte den Kopf und küsste sie.
    Seufzend erwiderte Kate den Druck seiner Lippen und die Erkundungen der Zunge. Ihr war, als stiege ihr schwerer Wein zu Kopf. Seine Zärtlichkeit ließ sie wieder lebendig werden. Sie fühlte sich als Frau – nicht als Mutter, Geschäftsfrau, betrogene Ehefrau oder Witwe, sondern als Frau. Das Gefühl war Schwindel erregend.
    Sie schlang ihm die Arme um den Nacken und drückte ihn an sich. Er raunte ihren Namen, und sie spürte seine Erregung.
    Doch plötzlich war da die Erinnerung an das letzte Mal, als sie mit Richard geschlafen hatte. Sie glaubte, seine Lippen zu spüren, hörte, wie er ihren Namen flüsterte.
    Die eben noch genossenen Zärtlichkeiten kamen ihr plötzlich vor wie Ehebruch.
    Schuldbewusst erstarrte sie geradezu in Lukes Armen, löste sich von ihm und schob ihn sacht zurück. „Tut mir Leid, Luke. Es ist …“
    „Zu früh.“
    „Ja.“ Sie spürte sein heftiges Herzklopfen unter ihren Fingern. Ihr Blick bat um Verständnis. „Richard und ich, wir waren so lange zusammen. Ich will dich, aber es kommt mir falsch vor, als würde ich Richard betrügen.“
    „Verstehe.“
    Sie bezweifelte, dass er es wirklich tat. „Ich möchte keine Gewissensbisse haben, wenn wir zusammen sind. Diesmal sollte keiner von uns etwas bedauern.“
    „Dass wir zusammengehören, Kate, habe ich immer als richtig empfunden.“ Er seufzte. „Für dich ist es zu früh, und ich habe über zehn Jahre gewartet.“
    Sie wusste darauf nichts zu antworten. Sie war versucht, sich über alle Skrupel hinwegzusetzen und sich der Leidenschaft hinzugeben, die er ihr anbot. Sie wollte mit ihm zusammen sein, und den Albtraum der letzten Monate, wenn auch nur für kurze Zeit, vergessen. Aber vor allem wollte sie ihn nicht verlieren.
    „Sieh mich nicht so traurig an.“ Er nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände, küsste sie innig und rollte sich seufzend auf den Rücken. „Ich habe zehn Jahre gewartet, da kann ich auch noch ein bisschen länger warten.“

68. KAPITEL
    Luke verlor keine Zeit. Sobald sie sich in Washington in einem Hotel einquartiert hatten, rief er Tom Morris an. Zum Glück war der in der Stadt und verfügbar. Sie verabredeten ein Treffen um vier Uhr nachmittags im Park eines benachbarten Vorortes, der in Virginia lag.
    Luke ließ Morris absichtlich warten. Nicht so lange, dass es ihn hätte ärgern können, aber lange genug, um die Fronten zu klären. Er wollte dieses Treffen aus einer Position der Stärke heraus beginnen. Morris sollte auch ohne Worte begreifen, dass er derjenige war, der sagte, wo es langging, dass er sich in seinen Forderungen nicht würde herunterhandeln lassen.
    Entschlossen ging Luke über den grünen Rasenteppich auf den dunklen Teich zu, an dem Morris wartete. Er saß auf einer Bank, warf Cracker ins Wasser und sah den Enten zu, die sich darum balgten.
    „Hallo, Tom.“
    Er sah auf. „Luke. Schön, Sie wieder zu sehen.“
    „Danke, dass Sie sich Zeit für mich nehmen. Warum gehen wir nicht ein Stück?“
    Morris zog leicht erstaunt die Brauen hoch, nickte aber, stand auf und stopfte sich die letzten Cracker in die Tasche.
    Eine Weile gingen sie nun schweigend nebeneinander her. „Schöner Tag“, sagte Morris schließlich.

Weitere Kostenlose Bücher