Albtraum
töten, sauber und schnell.
Das war besser, als sie es verdiente.
Er legte eine Hand an den Hinterkopf und spürte die fünfzehn Stiche, die er sich dank Juliannas Verrat eingehandelt hatte. Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Seit jenem Vorfall hatte er all seine Selbstbeherrschung aufbieten und Wut und sogar Hass unterdrücken müssen, um sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren.
Inzwischen hatte er Julianna und ihre Freunde bereits im Visier. Er lächelte amüsiert. Es war leicht gewesen, sie zu finden. Bedauernswert leicht. Sie waren zu Kates Freund nach Houston gefahren, dem Autor Luke Dallas. Dass die zwei Freunde waren, wusste er von den belauschten Gesprächen zwischen Blake und Marilyn im Bean. In Kates Rollkartei hatte er Lukes Adresse und Telefonnummer gefunden. Der Flug von New Orleans zum Sportflugplatz nach Houston hatte weniger als eine Stunde gedauert. Die Fahrt vom Flugplatz zu Lukes Adresse in Kingwood noch einmal fünfundvierzig Minuten, Automietung eingeschlossen.
Leider hatte er sie verpasst. John führte das Glas an seine Lippen. Kein Problem. Er hatte sich bei Lukes Verlegerin als Redakteur vom People -Magazin vorgestellt, der ein Interview mit Luke Dallas machen wollte, und sie hatte ihn freudig an Lukes Manager verwiesen. Dort hatte er dieselbe Masche abgezogen, und der Manager teilte ihm vertraulich mit, Luke sei auf Urlaub in Washington, werde sich aber melden.
Danach war es nur noch eine reine Fleißarbeit gewesen, um festzustellen, wo sie wohnten. Noch einige Anrufe, und das Holiday Inn, Capitol Hill, stand fest. Luke Dallas hatte die Zimmer unter seinem Namen gemietet.
John schüttelte verständnislos den Kopf. Die drei konnten einem Leid tun. Washington als Reiseziel hatte ihn zunächst erstaunt. Doch dann war es ihm wie eine perverse Gerechtigkeit erschienen, dass Juliannas Leben an dem Ort enden sollte, wo sie ihn zuerst hintergangen hatte.
John drehte das Gesicht zum Fenster und sah den blauen Himmel und die bauschigen weißen Wolken unter sich. Luke Dallas hätte sich besser nicht in diese Sache eingemischt, jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als auch ihn umzubringen.
Kates Einmischung konnte er verstehen. Sie beschützte ihr Kind, ungeachtet der Gefahren. Er bedauerte zutiefst, ihr Leben beenden zu müssen. Er bewunderte ihren Mut, ihre Loyalität, ihre Ehrlichkeit und ihr Verantwortungsgefühl.
Wenn sie sich unter anderen Umständen begegnet wären, hätte er sich vielleicht sogar in sie verliebt. Dafür würde er es ihr ersparen, ihr Kind sterben sehen zu müssen.
John nahm den letzten Schluck Saft und ließ ihn einen Moment auf der Zunge verweilen. Er genoss ihn, wie er es genießen würde, Julianna und ihre kleine Gruppe fehlgeleiteter Unterstützer umzubringen.
Er konnte es kaum erwarten, ihre entsetzten Gesichter zu sehen, wenn er auftauchte. Er freute sich auf Juliannas Schock. Mit geschlossenen Augen stellte er sich vor, wie eine Kugel ihr den Hinterkopf zerfetzte.
70. KAPITEL
Juliannas Beschreibung von Johns Apartment war beunruhigend exakt gewesen. Nackt, dachte Kate, und ging einen Schritt weiter, blutleer und kalt wie der Mann selbst. Sie ließ den Blick über Ledercouch, Stühle, ordentlich eingeräumtes Buchregal und Drucke an der Wand gleiten. John Powers lebte nicht hier. Das hier war eine Hülle, wie der Ausstellungsraum eines Möbelhauses, dekoriert mit teuren und gediegenen Stücken, jedoch ohne die persönliche Note, die aus einer Behausung ein Heim machte. Die einzige Ausnahme war ein gerahmtes Foto auf dem Sofatisch.
„Julianna, Sie haben das schon mal gemacht“, wandte sich Luke an sie. „Irgendwelche Vorschläge, wo wir mit der Suche beginnen sollten?“
Sie stand noch an der Tür und schüttelte den Kopf.
„Nach was suchen wir denn?“ fragte Kate und stellte die Trage mit der schlafenden Emma ab.
„Korrespondenz, Telefonrechnungen, Kreditkartenauflistungen, alles, was uns helfen könnte, ihn mit einem bestimmten Ort und Datum eines Verbrechens zu verbinden“, erklärte Luke. „Der ganz große Fund wäre natürlich der Schlüssel zu seinem Code. Aber ich bin mir sicher, den hat er im Kopf.“ Er wandte sich an Kate. „Warum nimmst du dir mit Julianna nicht diesen Raum und die Küche vor? Ich beginne mit dem Schlafzimmer.“
„Kate nickte. „Klingt gut.“ Sie sah zu Julianna, die ängstlich an der Tür stehen geblieben war und aussah, als wolle sie jeden Moment flüchten. „Sind Sie okay?“
Julianna sah Kate an.
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