Albtraum
„Was?“
„Ob Sie okay sind?“
Sie wirkte wie aus einem Traum gerissen. „Ja, danke. Kann’s losgehen?“
„Ich beginne hier. Sie sollten sich die Küche vornehmen.“ Julianna nickte und ging davon. Kate sah ihr besorgt nach.
Juliannas Bewegungen waren schleppend, als gehorchten ihre Gliedmaße nicht dem Gehirn. Und sie war blass, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen.
Vielleicht war es wirklich nicht gut für sie, hier zu sein. Kate sah zum Schlafzimmer und überlegte, ob sie mit Luke darüber sprechen sollte, entschied aber dagegen. Am besten war, wenn sie sich alle beeilten, damit sie möglichst schnell wieder verschwinden konnten. Sie war in dieser Umgebung auch ziemlich nervös.
Kate begann mit der Suche bei einem Lehnstuhl. Als sie unter den Sitzkissen nichts fand, nahm sie sich den nächsten vor und machte weiter beim Bücherregal.
Sie hörte Julianna in der Küche Schränke und Schubladen öffnen und durchsuchen. Dabei murmelte sie etwas vor sich hin, doch Kate konnte nicht verstehen, was.
Luke kam aus dem Schlafzimmer. „Sieh dir das an.“
Es war eine zwei Monate alte Ausgabe der Times Picayune. Kate las, und ihr Magen zog sich zusammen. „Das heißt …“
„Vor zwei Monaten entdeckte er Juliannas Aufenthaltsort und plante seine Reise nach New Orleans.“
Wie lange hat er uns dort beobachtet und verfolgt? Wie lange hat er schon auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, zuzuschlagen?
Sie bekam Gänsehaut und rieb sich die Arme. „Sonst noch was?“
„Leider nein. Und bei dir?“
„Nichts. Sehen wir nach Julianna.“
Sie gingen nach nebenan, doch auch Julianna hatte nichts gefunden, nicht mal im Tiefkühler.
Kate sah sich in der Küche mit den weißen Möbeln, Wänden und Fliesen um. Alle Oberflächen waren so sauber, dass sie glänzten. „War das hier immer so?“
„Es war nicht so leer, aber ansonsten liebte John es aufgeräumt und sauber. Er verabscheut Schmutz und Unordnung.“
„Sogar die Abfalleimer sind leer“, sagte Luke vor sich hin, als er sich den unter dem Spülbecken ansah. „Ich frage mich, ob das etwas zu bedeuten hat.“ Luke dachte einen Moment darüber nach. „Möglicherweise ist es ein weiteres Zeichen, dass er langsam die Kontrolle über sich verliert und immer weiter Opfer seiner Zwanghaftigkeit wird.“
„Interessant“, überlegte Kate laut, „er kann Schmutz nicht ausstehen, verdient seinen Lebensunterhalt aber mit Mord. Was macht er, wenn er Blut an den Händen hat?“
Sekundenlang schwiegen alle drei. Dann seufzte Julianna. „Wir werden hier nichts finden, oder?“
„Das wissen wir noch nicht“, erwiderte Luke. „Beenden wir, was wir angefangen haben.“ Er und Kate kehrte in ihre jeweiligen Zimmer zurück und suchten weiter.
Frustriert nahm Kate schließlich das gerahmte Foto vom Tisch. Vielleicht hatte John Powers etwas dahinter gesteckt. Es zeigte eine sehr viel jüngere Julianna neben einem Mann, der vermutlich John Powers war. Er trug eine Baseballkappe, die teilweise sein Gesicht beschattete. Trotzdem kam er ihr bekannt vor. Sie betrachtete das Bild genauer, und plötzlich hatte sie es.
John Powers und Nick Winters sind ein und dieselbe Person!
Kate wich unwillkürlich zurück, schwindelig vor Schock.John hatte sich als Nick Winters wochenlang in ihrer und Emmas Nähe aufgehalten. Er hatte mit ihr geflirtet und Emma sogar auf den Knien gewiegt! Er war in ihrem Haus gewesen. Sie hatte ihn hereingelassen. In jener Nacht, als Richard ermordet wurde … als er Richard ermordete!
Plötzlich ergab alles einen Sinn. Sein Verhalten in jener Nacht, seine Äußerungen. Entsetzt legte sie eine Hand an den Mund.
Bald ist alles vorbei, Kate. Schneller, als du dir vorstellen kannst.
Er hätte sie und Emma mit Leichtigkeit umbringen können, sie waren ihm schutzlos ausgeliefert gewesen. Und das hatte er gewusst. Sie presste die Handballen auf die Augen und überlegte, warum er die Chance nicht genutzt hatte. Er hatte die Möglichkeit gehabt, die er brauchte.
Aber so arbeitet er nicht, erkannte sie und ließ die Hände sinken. Er ist ein methodisch arbeitender Bastard. Alles zu seiner Zeit und schön der Reihe nach. O ja, der John Powers, den sie als Nick Winters kannte, war ein sehr methodischer Irrer.
Mit zitternden Händen nahm sie das Foto wieder auf. Während sie ihn betrachtete, dachte sie daran, was er über Loyalität, Vertrauen und Ehre gesagt hatte.
Tess. Sie war nicht wie wir, Kate. Sie war nicht loyal.
Kate setzte sich
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