Albtraum
Leid. Ich habe das nicht so gemeint.“
Sie sah ihn scharf an. „Nein?“
„Es ist nur … du fehlst mir so. Mir fehlt unser gemeinsames Leben.“
„Wie gesagt“, erwiderte sie mit tränenverschleiertem Blick, „wenn du mir mehr helfen würdest, hätte ich vielleicht mehr Zeit für uns.“
„Stell jemand ein. Schließlich können wir es uns leisten.“
Sie sah ihn ungläubig an. „Das möchte ich nicht. Wir haben so lange darauf gewartet, Eltern zu werden, und nun soll ich die Sorge für das Baby einem anderen überlassen? Außerdem möchte ich, dass du hilfst. Du musst sie halten, füttern und mit ihr spielen. Du versäumst etwas, Richard. Du musst deine Tochter kennen lernen. Sie ist wirklich großartig.“
„Ich habe keine Zeit.“
„Aber du hast Zeit, um mit mir auszugehen oder übers Wochenende wegzufahren?“ Emmas Geschrei oben wurde langsam hysterisch. „Lass mich gehen, Richard, sie braucht mich.“
„Ich brauche dich auch!“
„Du bist erwachsen, Richard. Du …“
Plötzlich sah sie klar. Es war nicht nur das Füttern und Windeln wechseln, vor dem Richard sich drückte. Die letzten Wochen liefen wie ein Film vor ihrem inneren Auge ab. Richard hatte Emma kaum auf den Arm genommen. Er ging nicht zu ihr, wenn er von der Arbeit heimkehrte, und er erkundigte sich nicht nach ihr und ihren Fortschritten. Kate legte entsetzt eine Hand an den Mund. Richard beachtete die Kleine kaum.
Gekränkt wandte sie sich ab und lief hinauf ins Kinderzimmer. Sie nahm Emma vorsichtig hoch und wiegte sie auf dem Arm. Sofort beruhigte sich die Kleine und suchte nach dem Nuckel.
„Mami ist da“, tröstete Kate leise und setzte sich mit ihr in den Schaukelstuhl. „Jetzt wird alles gut.“ Sie gab ihr die Flasche, und Emma begann sofort gierig zu saugen.
Nach einem Moment sah Kate auf. Richard stand in der Tür und beobachtete sie. Er wirkte so verloren, dass es sie schmerzte, ihn anzusehen.
„Was ist los mit dir, Richard?“ Ihre Stimme bebte. Kate musste sich räuspern, ehe sie weitersprechen konnte. „Wünschst du dir, wir … bedauerst du, dass wir …“ Sie brachte die Worte nicht heraus. Sie fürchtete die Antwort.
Er beendete ihren Satz. „Ob ich bedaure, dass wir sie adoptiert haben?“
„Ja.“
Er wandte kurz den Blick ab und sah sie wieder an. „Wie könnte ich. Es ist nur … so eine große Umstellung.“ Er seufztetief.„Plötzlich hast du nur noch Zeit für das Baby, und ich hänge hier nutzlos herum.“
„Weil du dich nicht um das Baby kümmerst. Das solltest du aber, dann würdest du anders empfinden. Du würdest Anteil nehmen an ihrer Entwicklung und ihrem Leben.“
„Ich weiß.“ Er fuhr sich müde mit einer Hand über das Gesicht. „Ich hatte in der Kanzlei sehr viel zu tun mit neuen Fällen und mit meiner Wahlkampagne. Tut mir Leid, Kate. Du weißt, dass ich allergisch auf Veränderungen reagiere. Und die hier ist gewaltig.“
Sie musste lachen. Es stimmte, er mochte Veränderungen nicht. Sie hingegen genoss sie in vollen Zügen. Er würde sich schon in das Neue fügen, irgendwann. „Vermutlich hat der Liebe Gott werdenden Eltern deshalb neun Monate Zeit gelassen, um sich an die Umstellung zu gewöhnen.“
Er kam zum Schaukelstuhl und ging daneben in die Hocke. „Danke, dass du so verständnisvoll bist.“ Er küsste dem Baby den Kopf und Kate die Hand. „Es wird besser werden, Liebes. Ich werde jemand einstellen, der mir bei der Wahlkampfarbeit hilft. Ich gewöhne mich schon an das neue Leben.“ Er sah ihr ins Gesicht. „Aber hör nie auf, mich zu lieben, ja? Nicht mal, wenn ich mich wie ein Mistkerl benehme.“
Sie lächelte unter Tränen. „Nicht mal dann.“
21. KAPITEL
Lange, nachdem Emma eingeschlafen und Kate zu Bett gegangen war, saß Richard im Kinderzimmer im Schaukelstuhl und betrachtete die Wiege. Der Raum war dunkel bis auf den sanften Schimmer des Nachtlichtes. Das Kind bewegte sich gelegentlich, wimmerte, schlief jedoch gleich weiter.
Müde und entmutigt fuhr er sich mit einer Hand über die Stirn. Kate zu liebe hatte er sich heute Abend um Emma gekümmert, sie auf den Armen gehalten, ihr das Fläschchen gegeben und sogar die Windeln gewechselt. Zumindest hatte er es versucht, er hatte sich furchtbar ungeschickt angestellt.
Kate hatte ihn beobachtet, ganz aufgeregt vor Freude, Glück und Stolz. Emma hatte gestrampelt, Gurgellaute von sich gegeben und mit den Armen gerudert. Und beim Füttern hatte sie ihn mit ihren blauen Augen groß und
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