Albtraum
sie nie Kates Zwilling werden würde, war ihr klar. Dafür sahen sie zu unterschiedlich aus. Aber sie imitierte ihren Stil. Nach einer Weile hatte sie es so ziemlich geschafft. Sie ähnelte Kate tatsächlich.
Julianna wollte jubeln, beugte sich jedoch plötzlich vornüber, als ein scharfer Schmerz sie durchfuhr. Sie sank zu Boden und Flüssigkeit umgab sie. Die Fruchtblase war geplatzt.
Das Baby kam.
18. KAPITEL
Nach fünfzehn Stunden Wehen brachte Julianna ein Mädchen zur Welt. Anderthalb Wochen zu früh geboren, wog es nur gut fünf Pfund. Doch was der Kleinen an Gewicht fehlte, machte sie an Lungenkapazität wett.
Julianna hatte sie im Kreißsaal kurz gehalten, ohne es zu wollen. Die Schwester hatte ihr das schreiende Kind einfach an die Brust gelegt, sie albern angestrahlt und geschwärmt, wie hübsch die Kleine sei. Julianna fand, sie sah eher aus wie ein rotgesichtiger Frosch, und wollte lieber nichts mit ihr zu tun haben.
Sie hatte den Blick abgewandt und die Schwester gebeten, ihr das Kind abzunehmen. Ellen, die während der ganzen Tortur bei ihr geblieben war, hatte das rasch erledigt. Julianna beobachtete dann, wie sie die Kleine mit Tränen in den Augen wiegte, und fragte sich, was einen daran so rühren konnte.
Das fragte sie sich immer noch, als Ellen den Kopf zur Tür hereinsteckte und leise „Hallo“ sagte. „Wie fühlen Sie sich?“
„Müde.“
„Verständlich. Darf ich hereinkommen?“
„Sicher. Ist die für mich?“ Julianna deutete auf die Vase mit der einzelnen rosa Rose, umgeben von weißem Schleierkraut.
„Natürlich.“ Ellen stellt die Vase auf den Nachttisch. „Herzlichen Glückwunsch, Julianna. Sie haben das großartig gemacht.“
In dem Moment schob die Schwesternhelferin das Kinderbett mit dem Baby herein und sagte lächelnd: „Ich dachte, Sie möchten vielleicht noch ein bisschen Zeit mit Ihrer Tochter verbringen.“ Sie nahm das Kind vorsichtig hoch und legte es Julianna in die Arme. „Klingeln Sie im Schwesternzimmer an,wenn wir die Kleine wieder abholen sollen. Nochmals Glückwunsch, sie ist entzückend.“
„Jeder beglückwünscht mich“, sagte Julianna leise, sobald die Schwester gegangen war.
„Weil die Geburt eines Kindes ein Grund zum Feiern ist.“
„Vermutlich.“ Julianna blickte auf das in eine rosa Decke gewickelte Bündel in ihrem Arm. Das kleine Gesicht war von der Strickmütze fast verdeckt. Sie betrachtete das schlafende Kind. Seine Atmung ging rasch, aber gleichmäßig, die Hände waren zu Fäusten geballt, die geschwollenen Augen fest zugepresst. „Sie ist wirklich schön, was?“ stellte sie mit einem unerwarteten Stich im Herzen fest.
„Ja, das ist sie.“
Julianna berührte die Wange der Kleinen mit einem Finger. Die Haut war unbeschreiblich zart. „Das ist mein Werk“, sagte sie leise. „Ich habe sie gemacht, ganz allein. Und sie ist perfekt, absolut perfekt.“
„Das ist sie“, bestätigte Ellen und räusperte sich gerührt. „Ein kleines Wunder.“
„Ja.“ Julianna lächelte. „Das begreife ich erst jetzt.“
Ein besorgter Ausdruck schien kurz über Ellens Gesicht zu huschen. „Wie fühlen Sie sich? Es war keine leichte Geburt für Sie.“
Julianna bestätigte das. Allerdings hatte sie ab einem bestimmten Punkt der Wehen keine genaue Erinnerung mehr. Der Schmerz war unglaublich intensiv gewesen, hatte sich aufgebaut und war wieder abgeklungen. Schließlich waren die Wehen so rasch gekommen, dass sie zwischendurch nur noch Zeit fand, Luft zu holen. Merkwürdigerweise hatte sie den Schmerz geradezu willkommen geheißen und ihn als reinigend empfunden. Eine Teilnarkose hatte sie abgelehnt.
„Irgendwann sind Sie bewusstlos geworden. Glauben Sie mir, Sie haben uns damit allen einen ziemlichen Schrecken eingejagt.“
„Wirklich?“ erwiderte sie leise und betrachtete immer noch das Baby. „Ich erinnere mich nicht.“
„Julianna, sind Sie nun, nach der Geburt Ihrer Tochter, immer noch bereit, sie abzugeben, oder haben Sie es sich inzwischen anders überlegt?“
„Warum sollte ich es mir anders überlegen?“
Ellen zögerte einen Moment und zuckte die Achseln. „Das Baby ist jetzt da. Sie haben es in den Armen gehalten. Das ist der Zeitpunkt, an dem viele Frauen erkennen, dass sie es doch nicht weggeben können.“
„Ich bin nicht so. Ich weiß, dass ich nicht ihre Mutter sein kann.“ Unerwartete Rührung wollte sie überwältigen, und sie kämpfte dagegen an. „Kate ist ihre Mutter.“
„Sind Sie sicher?
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