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Albtraum

Albtraum

Titel: Albtraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Spindler
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vertrauensvoll angesehen. Dieser Blick ließ das kälteste Herz schmelzen.
    Seines jedoch nicht.
    Was ist nur los mit mir?
    Richard stand auf und ging zur Wiege. Lange sah er intensiv auf das Kind. Meine Tochter, erinnerte er sich. Meine und Kates. Warum empfand er dann nichts als Ärger, Abneigung und das Gefühl, versagt zu haben?
    Weil er immer bekommen hatte, was er haben wollte? Weil er immer entschieden hatte, wie es weitergehen sollte? Diesmal jedoch nicht. Diesmal hatte er die Situation nicht nach seinem Willen gestalten können. Und das missfiel ihm.
    Er verließ das Kinderzimmer, vergewisserte sich, dass Kate schlief, holte sich eine Flasche Jack Daniels und ein Glas aus der Bar und ging in sein Arbeitszimmer. Dort schenkte er sich ein Glas ein, leerte es auf einen Zug und schenkte sich nach.
    Er ging zu den gläsernen Balkontüren, schob die Vorhänge beiseite und sah in die dunkle Nacht. Dabei stieß er einen leisen Fluch aus. Anfangs hatte er Kate und Emma mit Freude und Zuneigung betrachtet. Die beiden gaben ein bezauberndes Bild ab, und Kates Glück hatte sein Herz erwärmt.
    Doch im Laufe der Tage und Wochen hatten Abneigung und Eifersucht die Oberhand gewonnen. Er war eifersüchtig auf die Zeit, die Kate dem Kind widmete, und auf die offensichtlich tiefe Liebe, die sie ihm schenkte.
    Er ertappte sich bei dem Wunsch, das Baby würde einfach … verschwinden. Er wünschte sich, eines Morgens beim Aufwachen festzustellen, dass Emmas Adoption nur ein beunruhigender Traum gewesen war und er sein altes Leben und seine Frau wieder hatte.
    Was sagen solche Gedanken über mich und meinen Charakter aus?
    Er presste die Handballen auf die Augen, angewidert von sich und der Antwort auf seine Frage. Er kam sich wie eine falsche Schlange vor, wie ein Versager und Nichtsnutz.
    Unter keinen Umständen konnte er Kate erzählen, was in ihm vorging. Sie wäre entsetzt und würde ihn nicht verstehen. Keines Blickes würde sie ihn mehr würdigen.
    Ich könnte es nicht ertragen, sie zu verlieren.
    Wenn er doch nur Vatergefühle aufbringen und bei Emmas Anblick Stolz und Liebe empfinden könnte. Doch das Gegenteil trat ein. Emma zu sehen, machte ihm nur das eigene Versagen bewusst. Er hatte Kate nicht schwängern können, er war nur ein halber Mann.
    Schließlich riss er die Balkontüren auf und ging an die frische Luft. Die nächtliche Kühle beruhigte ihn, klärte den Kopf. Es ist die Veränderung in unserem Leben, die mich sounsicher und zornig macht, sagte er sich immer wieder. Seine Gefühle für Emma würden sich vertiefen, zärtlicher werden. Schließlich war er ein erwachsener Mann. Er konnte sich dazu zwingen. Er würde sich dazu zwingen.
    Und dann würde seine Beziehung zu Kate wieder wie früher sein. Er würde wieder Kontrolle über ihr Leben haben, und sie würden wieder glücklich sein.

22. KAPITEL
    Von ihrem Aussichtspunkt im Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah Julianna, wie die Angestellten das Büro von Nicholson, Bedico, Chaney & Ryan verließen. Sie lachten und scherzten miteinander, einige entfernten sich paarweise, um offensichtlich noch etwas zu unternehmen, andere wünschten sich fröhlich einen guten Abend und eilten zu ihren Autos.
    In den zehn Wochen seit der Geburt des Babys war Julianna sehr aktiv gewesen. Sie beherrschte Kates Lächeln, Lachen und Sprechweise. Sie hatte ihren Gang geübt, bis er ihr zur zweiten Natur geworden war. Dann hatte sie Kleidung und Accessoires eingekauft, die Kate gewählt hätte, und die Discountläden durchstöbert, bis sie einige gute Kleidungsstücke fand. Sie hatte sich dieselbe Frisur schneiden lassen wie Kate und bis zum Umfallen trainiert, um die Muskeln wieder zu straffen, die während der Schwangerschaft schlaff geworden waren.
    Nun war sie bereit für den nächsten Schritt, der sie Richard sehr viel näher bringen würde.
    Ihr Herz schlug schneller vor freudiger Erwartung. Diese letzten Wochen, in denen sie sich von ihm fern halten musste, waren eine Qual gewesen. Zwar sehnte sie sich danach, bei ihm zu sein, doch sie musste für die erste Begegnung den richtigen Augenblick wählen und Vorsicht walten lassen. Sie liebte und begehrte ihn bis zum Wahnsinn.
    In ihren Träumen verbrachten sie heiße Liebesnächte miteinander, und sie malte sich ihre gemeinsamen Zukunft in den glühendsten Farben aus. Wenn sie morgens erwachte, war das Laken zerwühlt und das Kopfkissen nassgeweint von sehnsüchtigen Tränen.
    Trotz aller Sehnsucht siegte ihre

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