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Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Titel: Alcatraz und die dunkle Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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aus. Die Gläser waren rötlich gefärbt wie die Linsen, die er selbst gerade trug. »Das sind deine. Ich habe sie für dich aufgehoben.«
    Ich zögerte. »Ich brauche keine Brille.«
    »Du bist ein Okulator, mein Junge. Du wirst ständig eine Brille brauchen.«
    »Kann ich nicht stattdessen eine Sonnenbrille tragen, so wie Sing?«
    Grandpa Smedry kicherte. »Du brauchst keine Kriegerlinsen, Junge. Du kannst dir einen Zugang zu Fähigkeiten erschließen, die wesentlich mächtiger sind. Nimm die hier. Das sind Okulatorenlinsen.«
    »Und was sind Okulatoren?«, wollte ich wissen.
    »Wir sind Okulatoren, Junge. Setz sie auf.«
    Ich war immer noch skeptisch, aber ich nahm die Brille, setzte sie auf, und sah mich um. »Es sieht alles aus wie immer«, stellte ich enttäuscht fest. »Der Raum ist noch nicht einmal … rötlicher.«
    »Natürlich nicht«, erklärte Grandpa Smedry. »Die Farbe stammt von dem Sand, aus dem die Linsen gemacht sind, und hilft uns dabei, sie neutral zu halten. Sie soll gar nicht dafür sorgen, dass irgendetwas anders aussieht.«
    »Ich dachte ja nur, dass die Brille irgendetwas bewirken würde.«
    »Das tut sie auch. Sie zeigt dir die Dinge, die du sehen musst. Sie wirkt sehr subtil, Junge. Trage sie eine Zeit lang, deine Augen müssen sich erst daran gewöhnen.«
    »Na schön …« Ich beobachtete, wie Grandpa Smedry sich wieder hinkniete, um das Tablett zurück in die kaputte Kiste zu stellen. »Was ist das für ein Buch?«
    Grandpa Smedry sah hoch. »Was, das hier?« Er nahm das kleine Buch und gab es mir. Ich schlug die erste Seite auf. Sie war voller Krakel, als hätte ein Kind darin herumgeschmiert.
    »Die Vergessene Sprache«, erklärte Grandpa Smedry. »Wir versuchen schon seit Jahrhunderten, sie zu entschlüsseln. Dein Vater hat eine Weile mit diesem Buch gearbeitet, noch bevor du geboren wurdest. Er dachte, seine Geheimnisse könnten ihn zum Sand von Rashid führen.«
    »Das ist keine Sprache«, sagte ich. »Das ist nur sinnloses Gekritzel.«
    »Tja, aber jede Sprache, die du nicht kennst, sieht zunächst aus wie Gekritzel.«
    Ich blätterte weiter in dem Buch. Es war angefüllt mit vollkommen willkürlichen Kreisen, Zickzacklinien, Schleifen und Ähnlichem. Sie wiesen keinerlei Regelmäßigkeiten auf. Auf einigen Seiten waren nur wenige Zeichen, andere waren so voll schwarzer Tinte, dass sie aussahen wie die kindliche Vorstellung eines Tornados.
    »Nein«, widersprach ich, »das glaube ich nicht. Eine Sprache folgt bestimmten Mustern. Und hier ist überhaupt keine Ordnung zu erkennen.«
    »Das ist ja das Geheimnisvolle daran, mein Junge«, erklärte Grandpa Smedry und nahm mir das Buch ab. »Warum sonst ist es wohl in all den Jahrhunderten, in denen es versucht wurde, niemandem gelungen, den Code zu entschlüsseln? Das Volk der Inkarna – das diese Sprache gebrauchte – kannte viele tiefgründige Geheimnisse. Unglücklicherweise kann niemand ihre Aufzeichnungen lesen, und die Inkarna selbst sind vor vielen Jahrhunderten spurlos verschwunden.«
    Diese seltsame Erklärung entlockte mir ein weiteres Stirnrunzeln. Grandpa Smedry stand auf und trat von der Kiste zurück. Plötzlich verformte sich die zerbrochene Front und verschmolz zu einer neuen, vollkommen intakten Scheibe.
    Überrascht wich ich einen Schritt zurück. Dann griff ich misstrauisch nach meiner neuen Brille und nahm sie ab. Aber die Kiste war immer noch unversehrt, als wäre sie nie zerbrochen worden.
    »Restaurationsglas«, meinte Grandpa Smedry mit Blick auf die Kiste. »Nur ein Okulator kann es zerbrechen. Und sobald er sich ein gewisses Stück davon entfernt, nimmt es wieder seine ursprüngliche Form an. Daraus kann man hervorragende Tresore machen. Wenn es richtig verwendet wird, ist es sogar stärker als Bausteinglas.«
    Ich setzte meine Brille wieder auf.
    »Sag mal, Junge.« Grandpa Smedry legte mir unvermittelt die Hand auf die Schulter. »Warum hast du die Küche deiner Pflegeeltern angezündet?«
    Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. »Woher weißt du davon?«
    »Na hör mal, ich bin immerhin ein Okulator.«
    Ich zog die Brauen zusammen.
    »Also, warum?«, hakte er nach. »Warum hast du sie angezündet?«
    »Es war ein Unfall.«
    »Tatsächlich?«
    Ich wich seinem forschenden Blick aus. Natürlich war es ein Unfall, dachte ich leicht beschämt. Warum sollte ich so etwas mit Absicht tun?
    Grandpa Smedry sah mich prüfend an. »Du hast das Talent, Dinge zu beschädigen«,

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