Alcatraz und die letzte Schlacht: Band 4 (German Edition)
war er der Herrscher des größten Reiches der Weltgeschichte. Er hob die Hand, kratzte sich an der Nase und sagte etwas sehr Tiefsinniges.
»Zaremdaa, en ajil shall mea baina.«
Er wusste, wovon er sprach. Genau wie ich. Glaubt mir, ich war auch schon König. (Doch, wirklich. Lest mal den Schluss von Kapitel 1010 im vierten Band meiner Autobiografie.)
Eigentlich war ich nur der König einer Stadt und das nur für kurze Zeit. Aber es war wahnsinnig schwierig, unglaublich schwierig, diesen Job richtig zu machen. Schwieriger, als sich von einem aus einer Kanone abgeschossenen Baseball am Kopf treffen zu lassen. Schwieriger, als mit einem Seil aus benutzter Zahnseide eine dreißig Meter hohe Klippe hinaufzuklettern. Sogar schwieriger als herauszufinden, wo meine albernen Metaphern herkommen.
Eines habe ich nie verstanden: Warum wollen all diese größenwahnsinnigen Diktatoren, Geheimgesellschaften, verrückten Wissenschaftler und totalitären Außerirdischen unbedingt die Welt beherrschen? Also wirklich. Wissen sie nicht, wie nervenaufreibend es ist, das Sagen zu haben? An Könige werden ständig völlig überzogene Forderungen gestellt. »Bitte retten Sie uns vor einfallenden vandalischen Horden! Bitte sorgen Sie für eine funktionierende Kanalisation und Abfallbeseitigung, um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern! Bitte hören Sie auf, ihre Gemahlinnen zu köpfen. Das ruiniert die Teppiche!«
König zu werden ist so ähnlich, wie den Führerschein zu machen. Es klingt echt cool, aber wenn man den Führerschein endlich hat, stellt man fest, dass er nur bedeutet, dass die Eltern einen dafür einspannen können, die Geschwister zum Fußballtraining zu fahren.
Wie Dschingis Khan sagte: »Zaremdaa, en ajil shall mea baina.« Oder auf Deutsch: »Manchmal ist mein Job zum Kotzen.« Aber mal ehrlich, hat nicht jeder das schon irgendwann gesagt?
»Zaremdaa, en ajil shall mea baina!«, rief Bastille von hoch oben.
»Was war das denn?«, rief ich hinauf. »Ich spreche kein Mongolisch.«
»Ich sagte: Manchmal ist mein Job zum Kotzen!«
»Du machst das großartig!«
»Es ist trotzdem zum Kotzen!«, rief sie.
Wisst ihr, Bastille balancierte gerade auf einem Paar Stelzen, an denen unten zwei weitere Stelzen festgebunden waren, die ihrerseits unten mit einem weiteren Paar Stelzen verlängert worden waren. Diese Dreifachstelzen standen auf einem Stuhl, der wiederum auf einem Tisch stand. Und das Ganze war auf dem Flachdach der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität platziert. (Beim Anblick dieses großen Gebäudes im Inselbungalow-Stil konnte man sich vorstellen, dass darin Jimmy Buffett sang oder Warren Buffett Urlaub machte oder ein Buffet mit Grillspezialitäten aufgetischt wurde.)
»Siehst du etwas?«, rief ich zu Bastille hinauf.
»Wie mein ganzes Leben vor meinen Augen vorbeirast?«
»Abgesehen davon.«
»Von hier oben kann man wirklich gut erkennen, wer eine Glatze bekommt.«
»Bastille!«, sagte ich verärgert.
»Tut mir leid«, rief sie herab. »Ich versuche nur, mich von meinem nahen Tod abzulenken.«
»Als ich dir das mit den Stelzen vorgeschlagen habe, warst du nicht so nervös.«
»Da stand ich auch noch auf dem Boden!«
Ich zog verwundert die Augenbrauen hoch. Ich hatte nicht gewusst, dass Bastille Höhenangst hatte. So wie jetzt hatte sie sich noch nie verhalten. Natürlich war sie schon oft hoch oben gewesen. An Bord von irgendwelchen Fluggeräten. Aber nicht auf drei Paar Stelzen in der Luft balancierend.
Trotz ihrer Klagen machte sie ihre Sache erstaunlich gut. Sie hatte selbst vorgeschlagen, die Stelzen aneinanderzubinden, um höher hinaufzukommen. Außerdem trug sie ihre Glasfaserjacke, die sie retten würde, falls sie abstürzen sollte. Dank ihrer Crystin-Fähigkeiten konnte sie auf den extrem hohen und wackeligen Stelzen das Gleichgewicht halten. Das war ziemlich beeindruckend.
Aber natürlich konnte ich es trotzdem nicht lassen, sie zu necken. »Dir ist doch nicht schwindlig, oder?«
»Du bist nicht gerade eine Hilfe.«
»Mensch, ich glaube, der Wind frischt auf…«
»Halt die Klappe!«
»Ist das ein Erdbeben?«
»Ich werde dich ganz langsam umbringen, wenn ich hier runterkomme, und zwar mit einer Haarnadel. Die werde ich dir durch den Fuß bis ins Herz bohren.«
Ich lächelte. Ich hätte sie nicht foppen sollen. Die Lage war ernst. In Tuki Tuki gab es wenig Grund zum Lachen. Die Kuppel bekam immer mehr Risse, und meine Berater– zumindest die zwei
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