Alcatraz und die letzte Schlacht: Band 4 (German Edition)
es nicht wollte. Blättert zurück und lest noch mal den Anfang dieses Kapitels. Vielleicht versteht ihr nun allmählich, was ich meinte.
Ich blickte zu den sechs Kriegern hinüber. Ihre Mienen waren grimmig, aber entschlossen. Sie trugen ihre Rucksäcke über den Schultern und jeder hielt einen Speer in der Hand. Es waren relativ junge Krieger, vier Männer und zwei Frauen. Aluki hatte gesagt, sie seien besonders schnelle Läufer. Ich konnte ihnen von den Augen ablesen, dass ihnen klar war, worauf sie sich einließen. Als sie merkten, dass ich sie ansah, nickten sie mir einer nach dem anderen zu. Sie waren bereit, sich für Mokia zu opfern.
Im Gegensatz zu mir hatten sie längst begriffen, was mein Plan ihnen abverlangte. Auf einmal kam ich mir megadummizissimo vor.
»Ich sollte den Plan aufgeben«, sagte ich plötzlich. »Wir können uns etwas anderes einfallen lassen.«
»Einen Plan, der deine Krieger nicht in Lebensgefahr bringt?«, fragte Kaz. »Junge, wie sind im Krieg.«
»Ich meinte nur…« Ich wollte nicht derjenige sein, der dafür verantwortlich war, dass sie sich in Lebensgefahr begaben. Aber daran war nichts zu ändern. Ich hockte mich seufzend hin.
Kaz setzte sich zu mir. »Und jetzt…?«
»Jetzt müssen wir wohl warten.« Ich blickte nervös nach oben. Es hagelte immer noch Felsbrocken. Die Sprünge im Glas glühten, sodass es aussah, als würde der dunkle Nachthimmel von Blitzen erleuchtet. Eine Viertelstunde. Wenn die Bibliothekare sich nicht sowieso in den nächsten fünfzehn Minuten in die Stadt durchgruben, würde die Kuppel zerspringen und die feindlichen Truppen könnten hereinstürmen. Die meisten Mokianer– alle, die nicht dazu abkommandiert waren, nach neuen Tunnelausstiegslöchern Ausschau zu halten– standen bereits auf der hölzernen Stadtmauer, um Tuki Tuki gegen den drohenden Angriff zu verteidigen.
Ich blinzelte. Zum ersten Mal merkte ich, wie müde ich war. Es war inzwischen nach elf Uhr. Bisher hatten die aufregenden Ereignisse mich auf Trab gehalten. Nun musste ich einfach warten. In vielerlei Hinsicht schien es das Allerschlimmste zu sein, nur zu warten, nachzudenken und sich Sorgen zu machen.
Ist es nicht seltsam, dass es gleichzeitig langweilig und nervenaufreibend sein kann, zu warten? Das muss etwas mit der Quantenphysik zu tun haben.
Eine Frage, die mich schon seit Längerem beschäftigte, kam mir wieder in den Sinn. Kaz müsste sie eigentlich beantworten können, dachte ich und versuchte meine Müdigkeit abzuschütteln. »Kaz«, sagte ich. »Hast du bei deiner Forschungsarbeit irgendwelche Hinweise darauf gefunden, dass die Talente… ein Eigenleben haben könnten?«
»Was?«, fragt er überrascht.
Ich wusste nicht, wie ich es erklären sollte. In Nalhalla– als wir im Königlichen Archiv gewesen waren (das keine Bibliothek ist)– hatte mein Talent ein paar merkwürdige Dinge getan. Einmal schien es aus mir herauszugreifen. Wie etwas Lebendiges. Es hatte meinen Cousin Folsom daran gehindert, ungewollt sein Talent gegen mich zu benutzen.
»Es ist schwer zu beschreiben, was ich meine«, sagte ich lahm.
»Wir haben die Talente ausgiebig erforscht«, sagte Kaz und malte sein kleines Kreisdiagramm in die Erde, das die verschiedenen Talente nach ihrer Art und Stärke aufteilte. »Trotzdem wissen wir nicht viel über sie.«
»Die Smedry-Linie ist die königliche Linie der Inkarna, eines alten Volkes, das auf mysteriöse Wiese verschwand«, sagte ich.
»Es verschwand nicht«, widersprach Kaz. »Es zerstörte sich irgendwie selbst, bis nur noch unsere Linie übrig blieb. Leider verloren wir die Fähigkeit, seine Sprache zu lesen.«
»Die Vergessene Sprache.« Ich nickte. »Aber wir haben sie nicht vergessen. Alcatraz der Erste hat sie zerbrochen. Die ganze Sprache. Sodass die Leute sie nicht mehr lesen konnten. Warum hat er das getan?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Kaz. »Die Inkarna waren die Ersten, die Talente bekamen.«
»Sie haben sie sich irgendwie angeeignet«, sagte ich und dachte an die Inschriften, die ich in der Gruft von Alcatraz dem Ersten in der Bibliothek von Alexandria entdeckt hatte. »Es war wie… Kaz, ich glaube, sie wollten Menschen erschaffen, die über die Kräfte von okulatorischen Linsen verfügten, ohne die Linsen aufsetzen zu müssen.«
Kaz runzelte die Stirn. »Wie kannst du das sagen?«
»Indem ich meine Zunge bewege, während Atemluft aus meinen Lungen durch meinen Rachen strömt und meine Stimmbänder vibrieren
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