Alcatraz und die Ritter von Crystallia: Band 3 (German Edition)
den Raum durchsuchen«, sagte ich zu den anderen. »Mal sehen, ob wir irgendetwas Verdächtiges finden.«
Ich hatte Mühe, meinen Ärger zu unterdrücken, während wir durch das heillose Chaos wanderten. Die Bibliothekare hatten den Freien Untertanen einige schlimme Dinge angetan. Es war verständlich, dass die Nalhallaner eine irrationale Angst vor den Praktiken der Bibliothekare hegten. Doch ich fand es sehr befremdlich, dass ein so lernbegieriges Volk so schlecht mit Büchern umging. Die hiesige Methode, Bücher zu »archivieren«, schien darin zu bestehen, sie einfach in diesen riesigen Lagerraum zu werfen und dann zu vergessen.
Im hinteren Teil des Raumes wurden die Bücherberge größer und höher. Es sah aus, als wären sie von einem teuflischen literaturfeindlichen Bulldozer systematisch dorthin geschoben worden. Ich blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Ich hatte ein Museum erwartet oder zumindest einen Raum voller Bücherregale. Stattdessen war ich in einer Art Höhle gelandet, in der es aussah wie im Zimmer eines männlichen Teenagers.
»Wie sollen die Leute da feststellen, ob etwas fehlt?«, fragte ich.
»Gar nicht«, erwiderte Sing. »Sie denken, wenn hier niemand reinkommt, um Bücher zu klauen, dann müssen sie sie auch nicht zählen oder ordnen.«
»Das ist doch dumm«, sagte ich und hielt die Laterne hoch. Der Raum war weniger breit als lang, sodass ich die Seitenwände sehen konnte. Das Königliche Archiv war nicht so ein Labyrinth wie die Bibliothek von Alexandria. Es bestand im Grunde nur aus einem riesigen Raum, in dem Tausende und Abertausende von Büchern herumlagen.
Ich lief den Pfad zwischen den Bücherbergen zurück. Wie sollte man erkennen, ob an einem Ort, den man vorher noch nie besucht hatte, etwas verdächtig war? Ich war kurz davor, aufzugeben, als ich ein Geräusch hörte.
»Ich weiß nicht, Alcatraz«, sagte Sing in diesem Moment. »Vielleicht sollten wir…«
Er verstummte, weil ich eine Hand gehoben hatte.
»Hörst du das?«, fragte ich ihn.
»Was?«
Ich schloss die Augen und lauschte. Hatte ich mir das Geräusch nur eingebildet?
»Es kommt von da drüben«, sagte Bastille. Ich öffnete die Augen und sah sie zu einer Wand deuten. »Ein Scharren. Es klingt…«
»Als würde jemand graben«, ergänzte ich. Ich stieg über einen Stapel Bücher, kletterte einen Bücherberg hinauf und rutschte auf etwas aus, das nach dem mehrbändigen Königlichen Steuergesetzbuch aussah. Als ich oben ankam, konnte ich die Wand berühren, die natürlich aus Glas war. Ich presste ein Ohr dagegen.
»Ja«, sagte ich. »Von der anderen Seite sind tatsächlich Grabegeräusche zu hören. Meine Mutter hat sich nicht hier hereingeschlichen, sondern in ein Nachbargebäude! Von dort aus graben die Bibliothekare einen Tunnel ins Königliche Archiv!«
»Es ist…«, begann Sing.
»Ja, es ist keine Bibliothek«, blaffte ich. »Ich hab’s kapiert.«
»Nichts für ungut, Alcatraz, aber eigentlich wollte ich sagen: »Es ist unmöglich, hier einzubrechen.«
»Was? Warum?«, fragte ich und rutschte den Bücherberg wieder hinunter.
»Weil das ganze Gebäude aus Verstärkungsglas ist«, sagte Bastille.
Sie sah besser aus, aber immer noch etwas benommen. »Das kann man nicht zerbrechen, nicht einmal mit Smedry-Talenten.«
Ich blickte zu der Wand zurück. »Ich habe schon unmögliche Dinge passieren sehen. Meine Mutter hat Übersetzerlinsen. Wer weiß, was sie inzwischen aus Büchern in der Vergessenen Sprache gelernt hat. Vielleicht kennen die Bibliothekare einen Weg, durch dieses Glas hindurchzukommen.«
Sing kratzte sich am Kinn. »Möglich«, sagte er. »Aber, ehrlich gesagt, wenn ich sie wäre, würde ich einfach einen Tunnel ins Treppenhaus da draußen graben und dann durch die Tür eindringen.«
Ich betrachtete die Wand. Wahrscheinlich hatte Sing recht. »Los, kommt«, sagte ich, hastete zur Tür und zog sie auf. Die zwei Ritter schauten herein.
»Ja, Lord Smedry?«, fragte der eine.
»Möglicherweise versucht gerade jemand, sich bis ins Treppenhaus durchzugraben«, sagte ich. »Bibliothekare. Rufen Sie Verstärkung hier herunter.«
Die Ritter machten verdutzte Gesichter, aber sie befolgten meine Befehle. Einer rannte sofort die Treppe hinauf, um Soldaten herunterzuschicken.
Ich blickte zu Bastille und Sing zurück, die immer noch im Lagerraum standen. Soldaten würden nicht genügen. Ich hatte nicht vor, nur herumzusitzen und abzuwarten, was für einen Plan die Bibliothekare
Weitere Kostenlose Bücher