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Alcatraz und die Ritter von Crystallia: Band 3 (German Edition)

Alcatraz und die Ritter von Crystallia: Band 3 (German Edition)

Titel: Alcatraz und die Ritter von Crystallia: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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dabei vergessen, dass ich noch meine Okulatorenlinsen aufhatte. Allmählich empfand ich sie wohl als selbstverständlich. Als ich sie gegen die Übersetzerlinsen austauschte, konnte ich die Titel der Bücher lesen.
    Eines schien ein philosophisches Werk über Gesetzgebung und Rechtsprechung zu sein. Interessant, aber für meine Mutter vermutlich nicht wichtig genug, um so viel dafür zu riskieren.
    Die anderen drei Bücher waren belanglos. Ein Handbuch über Kutschenbau, ein Notizbuch, in dem stand, wie viele Hühner ein bestimmter Händler in Athen verkauft hatte, und ein Kochbuch. (Selbst große alte– aber leider trotzdem untergegangene– Kulturen brauchten offenbar Hilfe beim Plätzchenbacken.)
    Ich sah nach den Soldaten und stellte erleichtert fest, dass keiner von ihnen schwer verletzt war. Folsom hatte nicht weniger als sechs Mann bewusstlos geschlagen und ein paar andere hatten Knochenbrüche. Die Verletzten wurden ins Krankenhaus gebracht und alle anderen halfen wieder Himalaya. Niemand hatte Bastille gesehen.
    Ich wanderte durch den Raum, der sich schnell in ein Labyrinth aus riesigen Bücherstapeln verwandelte. Vielleicht suchte Bastille nach Spuren der Tunnelgräber, die ins Königliche Archiv einbrechen wollten. Die Grabegeräusche waren aus der südöstlichen Ecke gekommen, aber als ich hinging, konnte ich sie nicht mehr hören. Hatte meine Mutter gemerkt, dass wir ihr auf die Schliche gekommen waren? Da die Grabegeräusche verstummt waren, konnte ich nun allerdings etwas anderes hören.
    Geflüster.
    Neugierig und mit einer leichten Gänsehaut ging ich in Richtung des Geräuschs. Ich bog um eine Wand aus Bücherstapeln und entdeckte eine kleine Sackgasse in dem Labyrinth.
    Dort lag Bastille zusammengerollt auf dem kalten Glasboden. Sie zitterte und murmelte leise vor sich hin. Ich fluchte, rannte zu ihr hinüber und kniete mich neben sie. »Bastille?«
    Da kauerte sie sich noch mehr zusammen. Sie hatte ihre Kriegerlinsen nicht auf, sondern hielt sie in der Hand. So konnte ich ihren gequälten Blick sehen. In ihren Augen lag ein tiefer Kummer, als hätte sie einen schmerzlichen Verlust erlitten, als wäre ihr etwas aus dem Herzen gerissen worden.
    Ich fühlte mich machtlos. War sie verletzt? Sie zitterte und bewegte sich, dann sah sie zu mir auf. Ihr Blick klärte sich. Sie schien erst jetzt zu bemerken, dass ich da war.
    Sofort setzte sie sich auf und rückte von mir weg. Dann seufzte sie, schlang die Arme um die Knie und ließ den Kopf auf sie hinabsinken. »Warum musst du mich immer so sehen?«, fragte sie leise. »Eigentlich bin ich stark. Wirklich.«
    »Das weiß ich doch«, sagte ich betreten und unsicher.
    So verharrten wir eine ganze Weile. Bastille reagierte nicht, und ich kam mir vor wie ein Vollidiot, obwohl ich keine Ahnung hatte, was ich falsch gemacht hatte. (Anmerkung für alle jungen Männer, die das lesen: Gewöhnt euch daran.)
    »Ähm…«, sagte ich schließlich. »Hast du immer noch… Probleme mit der Trennung von diesem Ding?«
    Sie blickte auf. Ihre Augen waren rot, als wären sie mit Sandpapier geschmirgelt worden. »Es ist…«, sagte sie leise. »Es ist, als hätte ich einmal Erinnerungen gehabt. Schöne Erinnerungen, an Orte, die ich geliebt, und an Leute, die ich gekannt habe. Aber jetzt sind sie weg. Ich kann in mir spüren, wo sie einmal waren. Es fühlt sich an, als wäre in mir ein Loch aufgerissen worden.«
    »Ist der Geiststein so wichtig?« Das war eine dumme Frage, aber ich hatte das Gefühl, irgendetwas sagen zu müssen.
    »Er verbindet alle Ritter von Crystallia«, flüsterte sie. »Er verleiht uns Stärke und Sicherheit. Durch ihn teilt jeder von uns etwas von sich selbst mit allen anderen.«
    »Ich hätte die Schwerter der Idioten, die dir das angetan haben, zerbrechen sollen«, knurrte ich.
    Bastille fröstelte und schlang die Arme um sich. »Nach den zwei Tagen werde ich ja wieder mit ihm verbunden. Deshalb müsste ich wohl zu dir sagen, dass du den Rittern nicht böse sein sollst, dass sie gute Menschen sind und deine Verachtung nicht verdienen. Aber, ehrlich gesagt, fällt es mir im Moment schwer, sie zu mögen.« Sie lächelte schwach.
    Ich versuchte zurückzulächeln, aber es gelang mir nicht so recht. »Irgendwer wollte, dass dir das passiert, Bastille. Du wurdest reingelegt.«
    »Vielleicht«, sagte sie und seufzte. Ihr Anfall schien vorbei zu sein, aber er hatte sie weiter geschwächt.
    »Vielleicht?«, wiederholte ich.
    »Ich weiß nicht, Smedry«,

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