Alcatraz und die Ritter von Crystallia: Band 3 (German Edition)
»Bücher in der Vergessenen Sprache wirft man nicht einfach weg. Viele werden seit Jahrhunderten hier archiviert. Sie sind Abschriften von Abschriften.«
»Ihr könnt dieses Gekritzel kopieren?«, fragte ich überrascht.
»Schreiber können extrem penibel sein«, sagte Sing. »Sie sind fast so schlimm wie Bibliothekare.«
»Wie bitte?«, schnaubte Himalaya und kam zu uns herüber. Sie hatte aufgehört, den letzten paar Soldaten, die noch Stapel der von ihr sortierten Bücher umräumten, Anweisungen zu geben. Der Raum sah ziemlich merkwürdig aus. In der hinteren Hälfte überwogen immer noch die chaotischen Bücherberge, in der vorderen Hälfte standen dicht an dicht die sorgfältig geordneten Stapel.
»Oh«, sagte Sing. »Ähm. Ich meinte nicht dich, Himalaya, sondern Bibliothekare, die nicht kuriert sind.«
»Ich bin es auch nicht«, entgegnete sie und verschränkte die Arme. Trotzig stand sie in ihrer schweigeländischen Kluft aus Rock und Bluse vor uns. »Was ich vorhin sagte, war ernst gemeint. Ich will beweisen, dass ich eine Bibliothekarin sein kann, die nicht böse ist. Das muss doch möglich sein.«
»Wenn du das sagst…«, murmelte Sing.
Ich konnte seine Skepsis verstehen. Bibliothekare waren… na ja, sie blieben eben Bibliothekare. Diese Leute hatten mich meine ganze Kindheit lang unterdrückt. Und sie versuchten, Mokia zu erobern.
»Ich finde, du hast tolle Arbeit geleistet«, lobte Folsom Himalaya. »Ich gebe dir zehn von zehn Punkten für wahre und höchste Effektivität.«
Prinz Rikers rümpfte die Nase. »Entschuldigt mich«, sagte er, dann reichte er mir das Buch in der Vergessenen Sprache und schritt davon.
»Was hat er denn?«, fragte Himalaya.
»Ich glaube, Folsom hat den Prinzen gerade daran erinnert, dass er Literaturkritiker ist«, sagte Bastille.
Folsom seufzte. »Ich will wirklich niemanden verärgern, sondern nur… also wie sollen die Leute denn besser werden, wenn man ihnen nicht seine ehrliche Meinung sagt?«
»Ich glaube, nicht jeder will deine ehrliche Meinung hören, Folsom«, sagte Himalaya und legte ihm eine Hand auf den Arm.
»Vielleicht sollte ich ihm nachgehen und mit ihm reden«, sagte Folsom. »Ihm erklären, worum es mir geht, wisst ihr.«
Ich bezweifelte, dass der Prinz ihm zuhören würde, aber ich sagte nichts, als er Rikers hinterherlief. Himalaya sah dem entschlossenen Kritiker mit einem zärtlichen Lächeln nach.
»Du bist in ihn verliebt, stimmt’s?«, fragte ich sie.
Himalaya drehte sich mit rotem Kopf um. Bastille boxte mir sofort gegen den Arm.
»Aua!«, knurrte ich. (Mein Talent schien nie zu funktionieren, wenn Bastille mich boxte. Vielleicht war es der Meinung, dass ich die Strafe verdiente.) »Warum hast du mich gehauen?«
Bastille rollte die Augen. »Du musst nicht so direkt sein, Smedry.«
»Du bist die ganze Zeit direkt!«, maulte ich. »Warum soll es falsch sein, wenn ich es bin?«
»Weil du es auf eine zu plumpe Art bist, deshalb. Und jetzt entschuldige dich bei Himalaya dafür, dass du sie in Verlegenheit gebracht hast.«
»Ist schon gut«, sagte die junge Bibliothekarin, deren Gesicht immer noch glühte. »Aber bitte sag so was nicht. Folsom ist nur nett zu mir, weil er weiß, dass ich mich in den Freien Königreichen noch ziemlich fremd und verloren fühle. Ich will ihn nicht mit meinen törichten Gefühlen belasten.«
»Aber er hat gesagt… aah!«
»Er hat ›aah‹ gesagt?«, fragte Himalaya verwirrt. Sie hatte offenbar nicht gesehen, dass Bastille mir mitten im Satz kräftig auf den Zeh getreten war.
»Entschuldige uns kurz«, sagte Bastille mit einem Lächeln zu Himalaya und zog mich fort. Als wir außer Hörweite waren, zeigte sie mit dem Finger auf mich und sagte: »Misch dich da nicht ein!«
»Warum?«, wollte ich wissen.
»Weil du damit womöglich alles vermasselst. Die beiden kommen schon alleine klar.«
»Aber ich habe mit Folsom geredet. Er mag Himalaya auch! Das muss ich ihr doch sagen, damit die beiden aufhören können, sich wie liebeskranke Krokodile zu benehmen.«
»Krokodile?«
»Wieso nicht? Krokodile verlieben sich auch. Sonst gäbe es schließlich keine Krokodilbabys. Aber egal. Wir sollten mit Folsom und Himalaya reden und dieses Missverständnis aufklären, um den beiden auf die Sprünge zu helfen.«
Bastille rollte die Augen. »Wie kommt es nur, dass du manchmal so clever bist und dann wieder so ein Idiot?«
»Das ist unfair! Du…« Ich hielt inne. »Moment mal, du findest mich clever?«
»Ich
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