Alcatraz und die Ritter von Crystallia: Band 3 (German Edition)
habe gesagt, dass du manchmal clever bist«, entgegnete sie schnippisch. »Aber die meiste Zeit nervst du leider. Wenn du dich verplapperst, werde ich… Ich weiß nicht. Ich werde dir die Daumen abschneiden und sie den Krokodilen als Hochzeitsgeschenk schicken.«
Ich runzelte die Stirn. »Was? Moment mal!«
Sie spazierte einfach davon. Ich sah ihr nach und lächelte.
Sie fand, dass ich clever war.
Eine ganze Weile stand ich nur glückselig da. Dann ging ich wieder zu Sing und Himalaya hinüber.
»…versteh doch«, sagte Himalaya. »Das Problem an den Dunklen Bibliothekaren ist nicht, dass sie Bibliothekare sind. Das Problem sind ihre dunklen Machenschaften. Sie wollen die ganze Welt unterwerfen. Ich könnte ein Selbsthilfeprogramm für Aussteiger starten. Die Anonymen Herrschsüchtigen oder etwas in der Art.«
»Ich weiß nicht«, sagte Sing und rieb sich nachdenklich das Kinn. »Das klingt nach einem schwierigen Unterfangen.«
»Ihr Freien Untertanen müsst darüber ebenso aufgeklärt werden wie die Bibliothekare!« Sie lächelte mich an, als ich zurückkam. »Jedenfalls finde ich, dass wir die restlichen Bücher auch noch ordnen sollten. Für alle Fälle, wisst ihr.«
Ich blickte auf das Buch in meinen Händen. »Tu, was du willst«, sagte ich. »Ich will das hier an einen sicheren Ort bringen. Wir haben wahrscheinlich eh schon zu viel Zeit verloren.«
»Aber was ist, wenn hier drinnen noch weitere wichtige Bücher sind?«, fragte Himalaya. »Vielleicht ist das gar nicht das Buch, hinter dem deine Mutter her ist.«
»Das ist es«, sagte ich. Irgendwie wusste ich es.
»Aber woher sollte sie überhaupt wissen, dass es hier drinnen ist?«, fragte Himalaya. »Wir wussten es schließlich auch nicht.«
»Meine Mutter ist gerissen«, sagte ich. »Ich wette, sie…«
In diesem Augenblick stolperte Sing und fiel hin.
»Oje, bist du okay?«, fragte Himalaya.
Dann schrie sie auf, weil ich sie am Arm packte und mitzog, als ich hinter einem Bücherstapel in Deckung ging. Neben mir machte Bastille das Gleiche mit dem Prinzen und Folsom. Sing rollte sich zu meinem Versteck herüber, dann kniete er sich hin und sah sich nervös um.
»Was macht ihr denn alle?«, fragte Himalaya.
Ich legte den Zeigefinger an den Mund und wartete angespannt. Man konnte Sings Talent– wie allen Smedry-Talenten– nicht hundertprozentig trauen, doch meistens stolperte er unmittelbar vor gefährlichen Ereignissen. Seine weise Voraussicht– oder eher seine Tollpatschigkeit– hatte mir in den Ländern des Schweigens das Leben gerettet.
Ich dachte schon, diesmal sei sein Stolpern ein falscher Alarm gewesen, als ich plötzlich Stimmen hörte.
Die Tür des Raumes ging auf und meine Mutter kam herein.
*
Oh, halt, seid ihr noch da? Mit dieser letzten Zeile sollte das Kapitel eigentlich enden. Das wäre doch ein guter Schluss, oder?
Was? Das Kapitel ist noch nicht lang genug? Wirklich? Hm. Tja, ähm, dann muss ich wohl weitermachen.
*
Entsetzt starrte ich zum Eingang. Das war wirklich meine Mutter, Shasta Smedry. Sie trug nicht mehr die Perücke, die sie auf der Party aufgehabt hatte, sondern hatte ihr blondes Haar wie gewöhnlich zu einem Dutt hochgesteckt. Und natürlich trug sie die obligatorische Hornbrille. Ihre Miene war hart, gefühllos. Diese Frau wirkte eiskalt, noch kälter als die anderen Bibliothekare, die ich bisher gesehen hatte.
Mein Herz krampfte sich zusammen. Ich hatte an diesem Tag zwar schon ein paar flüchtige Blicke auf sie erhascht, aber das war das erste Mal seit unserem Zusammentreffen in der Bibliothek meiner Heimatstadt, dass ich sie richtig sah… das erste Mal, seit ich erfahren hatte, dass sie meine Mutter war.
Shasta hatte eine gefährlich große Truppe von Bibliothekarsschlägern dabei. Die muskelbepackten Gorillas trugen Fliegen und Brillen. (Sie sahen aus wie genetische Mutanten, bei deren Züchtung Streber-DNS mit Footballspieler-DNS gekreuzt worden war. Wahrscheinlich verbrachten sie ihre Freizeit in Muckibuden, wo sie sich mit Kraftfutter vollstopften und in den Umkleideräumen gegenseitig die Unterhosen straff zogen.)
An Shastas Seite war ein sommersprossiger junger Mann von etwa zwanzig Jahren. Er trug einen Pullunder und Stoffhosen (typische Bibliothekarsklamotten) und eine Brille mit getönten Gläsern.
Ein Dunkler Okulator, dachte ich. Ich hatte also recht. Der Kerl sollte für meine Mutter die Übersetzerlinsen benutzen. Er sah nicht annähernd so furchterregend aus wie damals
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