Alcatraz und die Ritter von Crystallia: Band 3 (German Edition)
zu identifizieren, indem sie es nur anfasste, und wusste genau, auf welchen Stapel sie es legen musste. In Sekunden wuchs um sie herum eine kleine Mauer aus Büchern.
»Ich brauche ein bisschen Hilfe, bitte!«, rief sie. »Fangt an, die Stapel umzuräumen, aber bringt sie nicht durcheinander!«
Sing, Folsom, Bastille und ich eilten ihr zu Hilfe. Selbst der Prinz machte sich an die Arbeit. Wir rannten hin und her, schleppten Bücher dorthin, wo Himalaya sie haben wollte, und hatten Mühe, mit dem Tempo der Bibliothekarin mitzuhalten.
Ihre Fähigkeit, Ordnung zu schaffen, war fast übermenschlich. Sie war eine perfekte Identifizier- und Sortiermaschine. Blitzschnell verwandelte sie chaotische Bücherhäufen in fein säuberliche Stapel und befreite dabei jedes Buch mit einem Handstreich von Staub und Schmutz.
Bald kam Folsom auf die Idee, ein paar Soldaten als Helfer einzuspannen. Himalaya hockte in der Mitte des Raumes wie eine vielarmige Hindu-Göttin, deren Hände so schnell herumwirbelten, dass sie nur noch verschwommen zu erkennen waren. Wir brachten ihr Berge von Büchern und sie sortierte sie im Nu nach dem Thema. Auf ihrem Gesicht lag ein verzücktes Lächeln. So lächelte mein Großvater, wenn er von einer aufregenden Infiltration erzählte, oder Sing, wenn er von seiner geliebten Sammlung antiker Waffen sprach. Das war der Gesichtsausdruck eines Menschen, der seine Arbeit wirklich genoss und völlig in ihr aufging.
Ich rannte mit einem weiteren Armvoll Bücher zu Himalaya. Sie schnappte sie, ohne mich anzusehen, und verteilte sie auf Stapel wie ein Spieler, der Karten ausgibt.
Beeindruckend!, dachte ich.
»Also, ich muss es jetzt einfach mal sagen«, verkündete Himalaya, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Die Soldaten liefen mit klirrender Rüstung hin und her, luden Berge unsortierter Bücher vor ihren Füßen ab und nahmen die ordentlichen Stapel mit, die sie hinter sich auftürmte.
»Was stimmt eigentlich nicht mit euch Freien Untertanen?«, fragte sie aufgebracht, ohne sich an eine bestimmte Person im Raum zu richten. »Ich meine, ich habe die Länder des Schweigens verlassen, weil ich es nicht gut finde, wie die Bibliothekare den Leuten Informationen vorenthalten. Aber warum soll es schlecht sein, Dinge zu organisieren? Warum müsst ihr Bücher so behandeln? Was ist falsch daran, ein bisschen Ordnung zu halten? Bei euch soll alles locker und frei sein, aber wenn es keinerlei Regeln gibt, dann herrscht Chaos. Organisation ist wichtig!«
Ich stellte meinen Stapel Bücher ab und rannte zurück.
»Wer weiß, welche Schätze ihr hier verkommen lasst?«, schimpfte sie, während ihre Arme weiter durch die Luft wirbelten. »Schimmel kann Bücher zerstören. Mäuse können sie zernagen. Bücher muss man hüten wie einen Schatz. Jemand muss den Überblick behalten, wo welches Buch steht, damit man die Sammlung nutzen und Freude an ihr haben kann!«
Folsom trat neben mich. Schweiß tropfte ihm von der Stirn. Er beobachtete Himalaya mit einem bewundernden Lächeln.
»Warum musste ich meine Identität aufgeben?«, schimpfte sie weiter. »Warum kann ich nicht ich selbst bleiben und trotzdem auf eurer Seite sein? Ich will keine Informationen unterdrücken, aber ich will sie sortieren! Ich will die Welt nicht beherrschen, aber ich will sie in Ordnung bringen! Ich will nicht, dass alles beim Alten bleibt, aber ich will den Sinn des Neuen verstehen!«
Sie hielt einen Augenblick inne. »Ich bin eine gute Bibliothekarin!«, erklärte sie in einem triumphierenden Ton und schnappte sich einen großen Stapel unsortierter Bücher. Sie schüttelte ihn einmal, wie man vielleicht einen Pfefferstreuer schütteln würde, und irgendwie ordneten sich alle Bücher nach Thema, Größe und Autor.
»Wow!«, hauchte Folsom.
»Du liebst sie wirklich«, sagte ich.
Folsom errötete und sah mich an. »Ist das so offensichtlich?«
Für mich war es das bisher nicht gewesen, aber ich lächelte trotzdem.
»Die letzten sechs Monate waren toll«, sagte er in diesem ekelhaft verträumten Ton, den liebeskranke Leute oft draufhaben. »Am Anfang habe ich sie nur im Auge behalten, um zu sehen, ob sie eine Spionin ist, aber als ich zu dem Schluss gelangt bin, dass sie keine Gefahr darstellt… na ja, ich wollte trotzdem weiter Zeit mit ihr verbringen. Deshalb habe ich ihr angeboten, sie mit den nalhallischen Sitten vertraut zu machen.«
»Hast du ihr das so gesagt?«, fragte ich, während um mich herum Soldaten mit Büchern in den Armen
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