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Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Titel: Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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davon auf die Stirn der Lady; dann löffelte sie den Rest in den Mund der widerstrebenden Patientin. Trotz ihrer großen Schwäche versuchte die Lady, die scheußliche Mixtur wieder auszuspucken, doch die alte Frau hielt ihr mit überraschender Kraft den Mund zu und zwang sie, die Medizin zu schlucken. Die schwache Patientin gehorchte und nahm dann ihr unregelmäßiges Keuchen wieder auf.
    Mutter Sarah wischte ihr sanft den Schweiß von den Wangen und die restlichen Tropfen des Gebräus vom Kinn. »Bald sind wir fertig und Ihr könnt wieder ruhen«, beschwichtigte sie sie tröstend. Sie streifte einen silbernen Ring über den Finger der keuchenden Patientin und sang: »Einen Ring aus den Pennies, die Aussätzige erbettelt haben!«
    Mit einem resignierten Seufzer holte Mutter Sarah dann den letzten Gegenstand aus ihrem Beutel. Es war ein kleiner, gewebter Streifen roten Tuchs, ähnlich wie ein Band, und wurde zu einem kleinen Ring mit überkreuzten Enden gefaltet und dann über dem Herzen auf das Nachtkleid der Patientin gesteckt. »Um den Geist der Pestmaid abzuwehren«, sagte sie, »denn sie fürchtet die Farbe von Blut und stört kein Herz, das von ihr geschützt wird.«
    Endlich sank die alte Frau auf einen nahen Stuhl, verausgabt und erschöpft von ihren Bemühungen um die Kranke. Viele Minuten lang rührte sie sich nicht und gab keinen Ton von sich; selbst ihr Atem ging so flach, daß man ihn kaum hören konnte.
    Alejandro rüttelte sanft am Arm der alten Frau. Sie war in ihrer Trance so reglos, daß er schon fürchtete, sie habe den Tod von der Lady auf sich selbst abgelenkt. Doch dann öffnete sie die flatternden Lider und richtete sich auf dem Stuhl auf.
    »Mehr kann ich nicht tun«, sagte sie. »Nun müssen wir beten.«
    Und so beteten sie, jeder in seiner eigenen Weise, um die Genesung der Lady. Doch als die Sonne tief am Himmel stand, wurde allen klar, daß der Geist der Pestmaid sich nicht hatte vertreiben lassen. Die Lady begann ihre Reise auf die andere Seite des Lebens. Ihre Augenlider fingen an zu flattern, und ihr Blick irrte im Raum umher.
    Der Arzt wußte, daß sie nicht klar sehen konnte, so gern ihre Lieben sich das auch eingebildet hätten, und daß die Patientin wenig Kontrolle über sich hatte. Er war nicht überrascht, als sie die Beine an den Körper zog wie ein Säugling und sich zusammengerollt auf die Seite legte, als wolle sie ihren von der Pest aufgeschwollenen Bauch schützen. Er hörte sie einen letzten, keuchenden Atemzug tun, und dann sah er, daß sie sich nicht mehr bewegte; ihre Augen starrten, ohne etwas zu sehen, unter den halb geschlossenen Lidern hervor.
    Nach dem lokalen Brauch schloß Mutter Sarah der Frau die Augen und legte auf jedes Lid einen Penny.
    Kate schluchzte hemmungslos, den kleinen Körper fest in Adeles Arme geschmiegt. In jämmerlicher Trauer und Qual schrie sie: » Mama !« Alejandro wollte die Tote schon mit den Laken decken, doch Kate bat ihn, noch zu warten.
    »Bitte, Doktor, laßt mich sie noch einmal küssen.«
    Er kniete nieder, nahm ihre Arme und sagte sanft: »Das kann ich nicht, Kind, denn die Ansteckung kann von ihren Lippen auf Eure übergehen.«
    Doch ihr jämmerlicher, klagender Ausdruck war mehr, als er ertragen konnte. Er sah zu, wie sie sich mit dem Tuch, das er ihr gegeben hatte, nochmals die Tränen abwischte.
    »Kate, küßt Euer Taschentuch«, sagte er.
    Zwischen den heftigen Schluchzern fragte sie: »Aber warum?«
    »Ich werde es Euch zeigen.«
    Sie wischte sich erneut die Augen und küßte dann das Tuch.
    »Nun gebt es mir.«
    Er nahm ihre kleine Hand und legte sie in seine größere. Er lächelte tröstend und streichelte ihr Haar. Dann stand er auf und trat an das Bett. Er berührte mit dem Taschentuch die Lippen der Toten und drückte es ihr dann in die Hand.
    »Jetzt wird sie Euren Kuß mit sich in die Ewigkeit nehmen.«
    Alejandro stand ungeduldig neben Mutter Sarah und sah zu, wie sie sich wieder und wieder kaltes Wasser auf die runzlige Haut ihres Gesichts und Halses spritzte; sie versuchte, die Fäulnis zu entfernen, die sich während des mißlungenen Heilungsrituals in ihren Poren festgesetzt hatte.
    Noch immer über das Becken gebeugt, wandte sie ihm den Kopf zu und sagte: »Wollt Ihr einer alten Frau nicht einen Moment Ruhe gönnen?«
    »Ich wollte Euch fragen nach ...«
    »Ja, ja, ich weiß, Ihr wollt mich vieles fragen.« Wasser tropfte von ihrem Gesicht und ihren Händen. Mit einem tiefen Seufzer trocknete sie sich ab.

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