Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
mißlichen Lage befreien konnte.
»Trotz Eures Unwohlseins entbinde ich Euch nicht von den Feierlichkeiten«, hatte Isabella zu ihr gesagt. Sie hatte streng darauf beharrt, daß Adele teilnahm, und ihr versichert, das werde ihre Stimmung heben, und Adeles Gegenwart werde ihre eigene Freude steigern.
Aber wie kann mein Herz leicht und fröhlich sein, wie kann ich zu ihrem Vergnügen beitragen, wo doch Isabella selbst der Grund für einen so großen Teil meines Unglücks ist? Selbst nach ihrer vermeintlichen Versöhnung konnte Adele nicht vergessen, daß der König zu Isabellas Trost entschieden hatte, sie mit ihr auf die lange Reise nach Böhmen zu schicken.
Zu ihrem großen Schmerz wurde Adele klar, daß sie der Prinzessin nicht mehr vertraute und daß ihre einst tiefe Freundschaft durch Argwohn ersetzt worden war. Ich glaube ihr nicht , daß sie sich bei ihrem Vater für mich einsetzen wird, dachte Adele bei sich, und als ihr die Wahrheit dieses Gedankens bewußt wurde, begann sie großen Zorn auf die Frau zu empfinden, die sie einmal wie eine Schwester geliebt hatte.
Ein anderer Verdacht nagte noch unerbittlicher an ihr, einer, den sie kaum in Worte zu fassen wagte, nicht einmal insgeheim. War es wirklich die Idee Eures Vaters, mich mitzuschicken, oder war es Eure? Würdet Ihr mein Glück sabotieren, weil Ihr selbst nicht glücklich seid?
Doch die Prinzessin fuhr in ihren Vorbereitungen für die Festlichkeiten fort, als sei ihre einstige intime Schwesternschaft unangetastet. Von der vorgeschlagenen Verlobung war nicht weiter die Rede gewesen, und auch nicht davon, daß Isabella versprochen hatte, Adele zu helfen und den König umzustimmen. Beide Frauen gingen getrennt ihren Aufgaben nach, ohne daß ein unnötiges Wort zwischen ihnen gewechselt wurde.
Die alte Nurse beobachtete das mit resignierten Gefühlen; sie hatte immer gefürchtet, daß Isabella innerlich herzlos und grausam war, denn sie hatte die Grausamkeit miterlebt, mit der die Königin Kate behandelt hatte, und zweifelte nicht daran, daß die Prinzessin aus dem gleichen Stoff gemacht war.
Adele hielt sich zurück, während die anderen Damen sich der Aufgabe widmeten, ihre Herrin zu schmücken; sie umringten sie, zupften, steckten fest und strichen glatt, bis alles außer Isabellas Schmuck und ihren Schuhen an Ort und Stelle war.
»In einer Minute bin ich für die letzten Vorbereitungen wieder da«, sagte Isabella aufgeregt und verließ den Schwarm der Damen, um in ihr Privatgemach zu gehen. Wie sie versprochen hatte, kehrte sie gleich darauf zurück, und nun trug sie alles, was zu den offiziellen Gewändern des Hosenbandordens gehörte. Ihr langes Kleid bestand aus schimmerndem Samt in tiefem Saphirblau, dem gleichen wundervollen, klaren Blauton, den auch die kostbaren Steine in der Krone auf ihrem Kopf hatten. Zarte Silberstickereien zierten Mieder, Ärmel und Saum des prachtvollen Gewandes, und ein dünner Schleier fiel in silbernen Kaskaden über die anmutigen Kurven ihres Rückens. Sie hob den Rock an, was ein Kichern unter ihren Zuschauerinnen auslöste, und zeigte ihre zierlichen Füße in den bestickten Silberslippern, die vorne mit winzigen Edelsteinen besetzt waren.
Die Damen im Raum klatschten Beifall, und dann wurde das Gewand genau untersucht, denn alle Damen würden selbst ähnliche, aber weniger prunkvolle Gewänder tragen, die ihnen Isabella auf Kosten des Königs zum Geschenk machte. Alle lobten die feine Handarbeit und die exquisiten Details, nur Adele nicht, die still dasaß, zu sehr mit ihrer wachsenden Übelkeit und ihrer ebenso wachsenden Abneigung gegen Isabella beschäftigt.
Ihre Verachtung entging der Prinzessin nicht; durch die Gruppe ihrer Damen kam sie auf ihre liebste Freundin zu. Die allgemeinen Gespräche verstummten, und als Isabella vor Adele stand, herrschte vollständiges Schweigen. Adeles Gesicht war so weiß wie das Leinen ihres Hemdes. Isabella drehte sich vor den Augen ihrer bleichen Gefährtin anmutig im Kreis, und der Saum ihres Kleides raschelte leise, als er sich wieder senkte. Adele sagte nichts.
Mit argwöhnisch hochgezogenen Augenbrauen fragte Isabella: »Ihr seid seltsam still, Adele; ist Euch noch immer unwohl?«
»Es ist schlimmer geworden«, sagte Adele, »denn nun bricht mir auch das Herz.«
Isabella beäugte sie neugierig. »Das verstehe ich nicht«, sagte sie.
»Ihr habt das bewirkt, also müßt Ihr es verstehen«, sagte Adele darauf leise und äußerte ihren Verdacht. »Es war nicht Eures
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