Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
bei dir.«
Er wandte sich an die Nurse und sagte: »Jetzt müßt Ihr mir helfen. Ich werde Ihr die Medizin in den Mund geben, und Ihr müßt ihn zuhalten. Ganz gleich, was sie tut, sie darf den Mund nicht aufmachen. Kein Tropfen darf vergeudet werden.«
Die Nurse nickte nervös, und ihr Gesicht war ängstlich.
»Seid Ihr bereit?« fragte er.
Sie nickte, und er schob einen Löffel mit der scheußlichen Flüssigkeit auf Adeles Zunge. Zusammen hielten sie ihr Mund und Nase zu; Adele wehrte sich mit überraschender Kraft. Die alte Nurse war ihrer Jugend nicht gewachsen, nicht einmal in diesem geschwächten Zustand, und wurde bald beiseite geschleudert. Kaum hatte sie Ade- les Mund losgelassen, spie Adele die widerliche Medizin auf die Bettdecke, und nur ein paar Brö- ckelchen blieben auf ihrer Zunge zurück. Gelbliche Speicheltröpfchen rannen aus ihrem Mundwinkel und beschmutzten das weiße Leinen ihres Hemdes.
»Wir werden es noch einmal versuchen«, sagte Alejandro.
Diesmal gelang es ihnen, Adele eine kleine Menge schlucken zu lassen, aber keine Minute später erbrach sie alles wieder auf die Decke. Verzweifelt riß Alejandro die Decke von ihr und warf sie zur Seite. Adeles dünnes Hemd war schweißnaß und ließ die zarten Kurven ihres zierlichen Körpers erkennen. Er dachte an die letzte Gelegenheit, bei der er sie so entblößt gesehen hatte; vielleicht haben wir da das Kind gezeugt, dachte er mit wehem Herzen.
Immer wieder versuchte er, den heilenden Brei in ihren Mund zu zwingen, und jedesmal widersetzte sie sich heftig. Jeden Löffel des Gemischs, den er ihr in den Mund schob, gab sie wieder von sich, sobald er seine Hand von ihren Lippen nahm.
Er ließ sich auf einen Stuhl neben dem Bett fallen, besiegt und hoffnungslos. Er saß an ihrer Seite, wartete ohnmächtig und hoffte gegen alle Vernunft, daß sie irgendwie überleben würde. Er hielt eine ihrer Hände in seinen und spürte die brennende Hitze ihres Fleisches; mit der schieren Macht seiner Liebe zu ihr versuchte er, sie ins Leben zurückzuzwingen.
Der Mond war längst aufgegangen, als Adele endlich ihren letzten Atemzug tat und still auf dem Bett lag. Die Qual ihres Leidens war der Ruhe des Todes gewichen. Lange Zeit saß Alejandro bei ihr, Kate in den Armen, wieder einmal ein einsamer Mann mit gebrochenem Herzen.
30
Rosow führte sein erschöpftes Team von Biocops wieder ein kurzes Stück weit den Hügel hinunter und wies sie an, die gleichen Gassen nochmals abzusuchen. Sie waren jedem Hinweis gefolgt, den die erschrockenen Bewohner des Viertels ihnen gegeben hatten, aber dabei war nichts herausgekommen. Die Informationen, die sie erhalten hatten, waren nutzlos gewesen. Sie hatten sogar ein Paar Marginale kurz in Haft genommen, sie dann aber wieder gehen lassen, als sich herausstellte, daß ihre Inhaftierung nichts bringen würde. Rosow hatte das deutliche Gefühl, daß einer dieser Marginalen mit ihm spielte, ihn in die falsche Richtung zu lenken versuchte. Er wollte den Mann eigentlich zur weiteren Vernehmung behalten, doch sein Aussehen gefiel ihm nicht. Er war zwar tatsächlich so mager, wie einer der Zeugen den Mann, der den Einkaufswagen geschoben hatte, beschrieben hatte. Gleichzeitig aber war er so schwach und kränklich, daß er den beladenen Karren unmöglich hätte bergauf schieben können. Rosow fiel auf, daß der Mann unsicher auf den Beinen war und sogar beim Gehen Schwierigkeiten hatte. Vermutlich betrunken, dachte Rosow bei sich, und von der Leberzirrhose zerfressen. Widerstrebend hatte er ihn gehen lassen. Seine Frustration wurde noch gesteigert durch die Tatsache, daß kein Biocop mehr als acht Stunden hintereinander einen grünen Anzug tragen durfte. Diese verdammten Arbeitsgesetze, murmelte er enttäuscht vor sich hin, während er zusah, wie die Mitglieder des Teams die schweren grünen Uniformen ablegten; früher trugen die verfluchten Ritter ihre blutigen Rüstungen, bis der König ihnen sagte, sie könnten sie ausziehen !
Als die vorgeschriebene Ruhepause dann endlich zu Ende war, nahmen sie die Suche wieder auf, wo sie sie abgebrochen hatten, aber inzwischen war natürlich jede Spur völlig erkaltet. Es gab keine Abdrücke von Rädern, keine Fußabdrücke, keine Fetzen Zeitungspapier, die sie nicht untersucht hätten; jeder verdächtige Stein wurde aufgehoben und auf Anzeichen untersucht, ob der Marginale mit dem Karren ihn vielleicht passiert hatte. Vielleicht verstecken sie sich in einem dieser Häuser, dachte
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