Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
sorgt dafür, daß sie nicht das winzigste bißchen wieder von sich gibt, denn ihr Körper muß die ganze Medizin aufnehmen.«
Ihm schwante Unheil, und er dachte: Das wird fehlschlagen. Er schwankte plötzlich unter der Last dieser Erkenntnis. Mutter Sarah streckte den Arm aus und legte eine Hand auf seinen Arm, und obwohl sie ihn nicht hätte halten können, schien ihre Berührung ihn zu stützen; er gewann sein Gleichgewicht wieder.
Ihre Worte waren so sanft wie ihre Berührung, und sie gaben ihm Kraft. Die strenge Lehrmeisterin, die sie zuvor gewesen war, war nun verschwunden; an ihre Stelle war eine freundliche Großmutter getreten. »Ihr habt die Kraft, das zu tun, was getan werden muß; Eure Kraft wird Euch nicht verlassen, wenn Ihr sie wirklich braucht. Aber ich möchte
Euch nochmals sagen, Ihr müßt Euch auf das vorbereiten, was Ihr nicht gleich begreifen könnt. Die Dinge verlaufen selten so, wie wir uns das denken. Ich flehe Euch an, tut das nicht allein; Ihr werdet Hilfe brauchen, um dieses Leben zu retten.«
Er musterte die beiden Gegenstände, die er in Händen hielt; sie stellten seine einzige Hoffnung dar, die Frau, die er liebte, zu heilen. Dann sah er Sarah an und fragte: »Werde ich bei dieser Aufgabe Erfolg haben?«
Wie kann ich ihm von meiner eigenen Unsicherheit erzählen? fragte sie sich. Wird die Medizin weniger wirksam sein , wenn sein Glaube sie nicht unterstützt? Sie senkte den Blick, da sie ihn nicht ansehen wollte, während sie etwas aussprach, das möglicherweise nicht die Wahrheit war. »Ich glaube, ein Leben wird gerettet werden. Und jetzt geht und wirkt Euren eigenen Zauber. Ich kann Euch nicht mehr helfen.«
Als er fortritt, sah sie, daß er das Buch auf dem Boden zu ihren Füßen vergessen hatte, wo er es hingelegt hatte, und fragte sich, ob sie ihm folgen sollte, um es ihm zurückzugeben.
Es macht nichts, dachte sie; er würde auch ohne das Buch Erfolg oder Mißerfolg haben. Sie nahm es auf und trug es in ihre Hütte, wo sie sich ansah, was er geschrieben hatte. Sie entschied, daß es am besten sei, das Buch bei sich zu behalten.
Als Alejandro am späten Abend ins Schloß zurückkehrte, waren nur noch wenige Menschen zu sehen. Eine Wache stand vor Isabellas Gemächern, und als der Arzt kam, bekam er von dem Posten einen Schlüssel; danach zog dieser sich hastig zurück. Er wollte mit keinem der Probleme, die hinter der Tür liegen mochten, etwas zu tun haben.
Alejandro betrat das Vorzimmer und fand es verlassen; er erinnerte sich, daß der König zu Ehren der Ankunft des neuen Bischofs ein Bankett gab, und er nahm an, daß der gesamte Hofstaat daran teilnahm. Wie er selbst es hätte tun sollen, mit Adele an seiner Seite. Um so besser, dachte er. Ich werde meine Arbeit ungestört tun.
Als er den Schlüssel benutzte, um das Schlafgemach zu betreten, eilten Kate und die Nurse ihm entgegen. Während er die Gegenstände zurechtlegte, die er brauchte, erzählte ihm die Nurse von der Lüge, die sie, an der Tür lauschend, Isabella hatte aussprechen hören.
»Was ist mit Adele?« fragte er ängstlich.
»Sie stöhnt und schlägt mit den Armen um sich, aber sie spricht nicht. Sie blutet aus dem Schoß, und ich fürchte, daß sie ihre Leibesfrucht verliert.«
Der Schmerz des Verlusts durchbohrte Alejandros Herz, wie die Pfeile vor so langer Zeit in Windsor Matthews den Tod gebracht hatten. Er konnte kaum sprechen, so sehr zitterte seine Stimme. »Nehmt dieses Fläschchen und den Inhalt dieses Beutels und vermischt sie in einem geeigneten Gefäß.« Er reichte ihr die Gegenstände und fügte hinzu: »Gebt acht, daß Ihr auch nicht das kleinste bißchen verschüttet. Ich fürchte, wir haben nicht genug davon; ich kann nicht einmal sicher sein, daß wir es im richtigen Verhältnis mischen können!«
Kurze Zeit später kam die Nurse mit einer Schale zurück, in der sich ein gelblicher Brei befand, und rümpfte die Nase über den faulen Geruch, der davon aufstieg.
Alejandro wischte Adele sanft die Stirn mit einem Tuch ab; dann nahm er die Schale, die die Nurse ihm reichte. Er betrachtete das unappetitliche Gemisch, das er nun in Adeles Mund zu zwingen versuchen mußte, und der Gedanke entsetzte ihn. Er beugte sich dicht über seine kranke Geliebte und flüsterte ihr ins Ohr: »Wenn es dir wieder gutgeht, meine Liebste, werden wir die köstlichsten Delikatessen speisen, und du wirst dieses gräßliche Gemisch vergessen. Aber jetzt mußt du es nehmen, also bitte, bitte ... behalte es
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