Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
so höflich wie möglich und machte sich auf die Suche nach der Witwe Selig. Dabei schwor er sich, niemals einen Patienten zu diesem Mann zu schicken, der selbst so voller Gift war.
Die Witwe öffnete die Tür zur chirurgischen Praxis ihres verstorbenen Gatten, und nachdem Alejandro sein Begehren erklärt hatte, bat sie ihn herein. Er ging ein Weilchen umher und sah sich die Räumlichkeiten und die Gerätschaften aufmerksam an. Die Frau wartete an der Tür, blieb zurückhaltend und beantwortete Alejandros Fragen höflich, aber kurz.
Er fragte sie nach dem Preis von Räumlichkeiten und Ausrüstung und äußerte Interesse, alles auf einmal zu kaufen. Die Geräte kamen ihm gut zupaß; sie waren nicht von allererster Qualität, aber weit besser als die, die er in Cervere benutzt hatte. Die Frau nannte einen Preis, und er zögerte einen Augenblick, weil er dachte, er sei zu gering für den wahren Wert des Ganzen. Dann sagte er zu ihr: »Madame, gewiß wäre eine höhere Summe angemessen.«
»Ich habe diesen Preis genannt, weil ich schnell verkaufen muß. Ich muß für meine Kinder sorgen.«
Er zählte einige Münzen mehr ab, als dem Preis entsprach, und drückte sie ihr in die Hand. Nach- dem sie ihm überschwenglich gedankt hatte, gab sie ihm den eisernen Türschlüssel und wollte gehen, doch Alejandro hielt sie zurück.
»Madame«, sagte er, »hat Euer Gatte viele Patienten behandelt, die die Seuche hatten?«
Noch immer sah sie ihn nicht an, sondern antwortete mit niedergeschlagenen Augen: »In seiner letzten Lebenswoche hat er nichts anderes getan. Es hat ihn aufgezehrt. Als sie seinen Leichnam abholten, war er mit Beulen bedeckt; aber ich weiß, daß er an gebrochenem Herzen gestorben ist.« Und damit ging sie, in einer Hand alles tragend, was von der jahrelangen Hingabe ihres Mannes an seinen Beruf übriggeblieben war.
Alejandro stand in der leeren Praxis und musterte seine neuen Besitztümer; er empfand eine eigenartige Mischung aus Erregung und Angst. Die Praxis war größer und dunkler als seine in Cervere; er wußte, daß er für heikle Tätigkeiten eine Lichtquelle würde schaffen müssen. Licht für mein neues Leben, dachte er, als er die Tür hinter sich absperrte. Auf der Tür war noch immer ein Schild mit Se- ligs Namen. Morgen, dachte er, werde ich einen Schildermacher suchen und mein eigenes Schild anbringen.
Wie versprochen kam Hernandez rechtzeitig zum Abendessen zu Alejandros Haus zurück und be- richtete vom Erfolg seines Besuchs im Bankhaus. »Wir sollen uns in drei Tagen zusammen dort einfinden, und dann werde ich hübsch dafür belohnt, daß ich Eure unwissende Haut gegen Straßenschurken verteidigt habe.« Er warf Alejandro einen vielsagenden Blick zu und fuhr fort: »Ich bin dankbar, daß uns keine Schurken in der Verkleidung spanischer Soldaten belästigt haben.« Dann lachte er und sagte: »Aber ich glaube, man bezahlt mir zuviel; die schlimmste Gefahr, der wir ausgesetzt waren, war wohl die Hitze der Sonne.«
»Trotzdem, Señor«, antwortete Alejandro, »Eure Aufgabe war nicht leicht, und Ihr habt sie gut erfüllt. Niemand mißgönnt Euch Eure verdiente Belohnung. Sie wurde im voraus vereinbart.«
Im Licht von zwei Kerzen auf dem Tisch verzehrten sie ihr gekochtes Fleisch und das knusprige Brot. Die Witwe servierte ihnen einen köstlichen Wein, den ihr Mann gekeltert hatte, und sie tranken einander zu, wie sie es sich versprochen hatten.
Alejandro fragte den Spanier nach seinen Zukunftsplänen. »Was werdet Ihr tun, da Eure Aufgabe nun erfüllt ist? Vielleicht solltet Ihr eine Weile hier in Avignon bleiben. Dieses Haus ist viel zu groß für mich, und ich glaube, die Witwe wäre froh um eine zusätzliche Münze jede Woche.«
Hernandez dankte ihm für das Angebot. »Ich habe Euch tatsächlich liebgewonnen, junger Herr, und ich weiß, daß Eure Gesellschaft mir fehlen wird. Seit unserer ersten Begegnung im Kloster von Cervere haben wir einen langen Weg zurückgelegt.«
Er trank einen Schluck von dem ausgezeichneten Wein und fuhr fort: »Für einen Mann wie mich ist es eine zu große Versuchung, ein gutes Pferd und eine kleine Börse mit Gold zu besitzen; jetzt kann ich reisen, wohin ich will, und viele Nächte unter den Sternen zubringen. Außerdem bin ich meiner alten Geschichten überdrüssig; ich glaube, es ist Zeit, daß ich ein paar neue erlebe.«
Dann senkte der Spanier die Stimme, da er die Wirtin nicht an ihren jüngsten Verlust erinnern wollte. »Ich habe vor, dieser Pest
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