Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
sauber gefegt und eben; es gab einen langen, schmalen Tisch mit Bänken zu beiden Seiten, einen Sessel und eine kleine Pritsche zum Schlafen. Oben fand er zwei getrennte Schlafkammern, von denen eine, nach der Größe des Bettes zu urteilen, einst einem Kind gehört zu haben schien. Der zweite Schlafraum war groß und bequem und hatte ein Fenster, da er auf der Vorderseite des Hauses lag.
Das Strohlager befand sich auf einem Bettgestell; bei näherem Hinsehen merkte Alejandro, daß, das Stroh frisch und ziemlich frei von Insekten war, die Laken, wenn auch sichtlich alt, in gutem Zustand und sehr sauber. Er stellte seine Sachen in dem kleineren Zimmer ab, denn er wollte dem beleibten Hernandez, solange dieser in Avignon war, das größere Bett überlassen. Nach seiner Abreise würde er als Hausherr es dann selbst übernehmen.
Nachdem er sich eingerichtet hatte, machte Alejandro sich auf, um Avignon zu besichtigen. Er hoffte, passende Räumlichkeiten für seine chirurgische Praxis zu finden. Nicht weit von seiner neuen Unterkunft stieß er auf den Laden eines Apothekers und fragte den Mann, ob in diesem Viertel irgendwelche Ärzte praktizierten.
»Früher gab es hier in der Gegend zwei Ärzte und einen Bader für die Bewohner«, sagte der Apotheker. »Aber alle sind an derselben furchtbaren Krankheit gestorben, die auch ihre Patienten umgebracht hat, und ich fürchte, Ihr werdet dort keine Hilfe finden.«
Alejandro erklärte ihm, er sei selbst Arzt und nicht der Dienste eines Arztes bedürftig. »Ich bin eben erst nach Avignon gekommen und erwarte die Ankunft meiner Familie. Ich suche Räume für meine chirurgische Praxis.«
»Dann schlage ich vor, daß Ihr bei Dr. Seligs Witwe nachfragt. Seine Praxis war zwei Häuserblocks östlich von hier in einer engen Gasse neben der Werkstatt eines Schuhmachers. Vielleicht ist die Witwe auch bereit, Euch seine Gerätschaften zu verkaufen.« Sein Gesichtsausdruck wurde traurig. »Sie hat Kinder zu ernähren.«
Der Apotheker beugte sich dichter zu Alejandro, als wolle er ihm ein großes Geheimnis anvertrauen. »Der gute Doktor und ich hatten eine Vereinbarung, was seine Patienten betraf. Wenn seine Behandlung keine Heilung herbeiführte, schickte er die Leute zu mir, und ich verschrieb ihnen weitere Medikamente und Arzneien, um ihnen zu helfen.«
Alejandros Interesse war geweckt. »Hattet Ihr Erfolg bei der Behandlung dieser Pestilenz?«
»Pah!« lachte der Apotheker. »Keine unserer Behandlungen hat irgend etwas bewirkt! Niemand kann sagen, was die Quelle der Ansteckung ist! Sogar bei der Behandlung der Symptome habe ich wenig Erfolg.« In vertraulichem Ton fuhr er fort: »Es heißt, Juden würden die Brunnen vergiften. Ich persönlich bin geneigt, das zu glauben.«
Alejandro war bestürzt, versuchte sich das aber nicht anmerken zu lassen; er hörte diese lächerliche Anschuldigung nicht zum ersten Mal. Nun, da er nicht mehr aussah wie ein traditioneller Jude, glaubten die Leute offenbar, in seiner Gegenwart schlecht über sein Volk sprechen zu dürfen. Er zog den Kragen seines Hemdes enger zusammen und ging auf das Spiel des Mannes ein. Flüsternd sagte er: »Schrecklich! Was kann man dagegen tun?«
»Oh, es wird bereits eine Menge getan! In Arles sind drei Jüdinnen auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden, nachdem ein Priester leere Glasampullen in ihren Häusern gefunden hat. Nur Stunden zuvor waren sie am Brunnen gesehen worden. Jetzt wissen die Einwohner nicht, was mit ihrem Wasser ist - einige sagen, der Brunnen sei sauber, andere wollen ihn nicht mehr benutzen und erklären, lieber verdursten zu wollen, als sich der Gefahr auszusetzen, an dieser Seuche zu sterben.«
Kühner, als er sich fühlte, sagte Alejandro: »Das zeugt sicher von einer gewissen Weisheit, aber ich glaube nicht, daß die Pest vom Wasser ausgeht. Wir alle trinken Wasser, und doch sind viele von uns noch am Leben; und wären inzwischen nicht alle Einwohner von Arles bis auf den letzten Mann gestorben, wenn das Gift aus dem Brunnen käme? Es scheint nur logisch, daß wir das Wasser nicht zu fürchten brauchen.«
»Aber das ist eine Geißel, eine Strafe Gottes«, protestierte der Apotheker. »Mit Logik können wir ihre Ursache nicht entdecken.«
»An jede Entdeckung muß man mit Logik herangehen«, sagte Alejandro. Darauf erwiderte der Apotheker nichts. Alejandro hielt es für besser, die
Diskussion damit zu beenden; er hatte aus dem Munde des Mannes genug Unsinn gehört. Er entschuldigte sich
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