Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
fragen, ob es eine kluge Entscheidung gewesen war, sein Leben in den Dienst der königlichen Familie zu stellen. Hin und wieder hatte man sogar miterleben müssen, wie sich König und Königin, für gewöhnlich ein trautes Paar, heftig zankten. Unter dem Gesinde wurde darüber getuschelt, dass die Königin die Liebschaft zwischen dem König und seiner neuesten Favoritin, ihrer Hofdame Alice, entdeckt habe und den beiden das Leben schwermache, so wie sie auch Kates Mutter ins Unglück gestürzt hatte. Andererseits waren alle der Ansicht, dass sie es längst hätte wissen müssen - der König hatte sich nicht besonders viel Mühe gegeben, seine Bewunderung für die junge Frau zu verbergen. Es musste mehr dahinterstecken - darin war man sich einig.
Und wie sich jetzt zeigte, steckte eine ganze Menge mehr dahinter! Chaucer schrieb noch weitere, unbedeutendere Angelegenheiten nieder, die der König dem Papst vortrug, auch wenn es ihm schwerfiel, sich darauf zu konzentrieren. Als er fertig war, reichte er das Schriftstück König Edward, der es schnell überflog und dann seine Unterschrift daruntersetzte.
Der König streckte die Hand aus. »Wachs«, sagte er.
Der junge Mann hastete zum Schreibtisch, suchte nach dem Siegelwachs und kam damit zurück. Der König faltete das Pergament zweimal, ließ das über der Flamme einer Kerze geschmolzene Wachs darauf tropfen und drückte sein Siegel hinein. Er ließ es einen Moment abkühlen, dann nahm er den Brief und küsste ihn.
»Möge es Glück bringen!«, rief er. »Wir wollen das Beste hoffen, was, Master Chaucer?«
»Gewiss, Sire. Das tut man immer.« Unter Verbeugungen verließ er das Gemach, dann eilte er davon.
Die junge Frau, um die es in dem Schreiben des Königs ging, hatte sich bei der Überquerung des Ärmelkanals beinahe die Eingeweide aus dem Leib gewürgt, als die Soldaten des Königs sie sieben Jahre zuvor aus Frankreich nach England gebracht hatten. Chaucer, damals selbst erst siebzehn Jahre alt und gerade von den Franzosen losgekauft, hatte sie voll Mitgefühl beobachtet, während das Schiff von den Wogen der kalten See hin und her geworfen wurde. Man hatte sie wie eine gewöhnliche Verbrecherin in Ketten gelegt, und sein Herz zog sich zusammen, als er sah, dass ihr Blut über die Fesseln lief und auf ihre Schuhe tropfte. Niemand hatte einen Finger gerührt, um ihr zu helfen, obschon sie dringend der Hilfe bedurft hätte. Er hätte es selbst getan, wäre ihm nicht klar gewesen, dass er es nicht wagen durfte, da diese Reise Teil ihrer Strafe gewesen war.
Strafe wofür?, hatte er sich damals gefragt. Sie war tapfer und klug, eine wahre Schönheit, und sie hatte ein anständigeres Leben geführt, als es unter den Umständen möglich erschien. Mit ihren siebzehn Jahren war Catherine Karle bereits Witwe und hatte gerade erst eine schwierige Niederkunft hinter sich - konnten die Götter noch unbarmherziger sein?
Das können sie in der Tat, dachte er. Sie hatte ihren Sohn seit dem Tag seiner Geburt nicht mehr gesehen. Erneut musste er an die Worte denken, die er soeben im Namen des Königs niedergeschrieben hatte.
Insbesondere bat Baron de Coucy darum, das Bündnis zwischen Unseren Familien durch die Vermählung zwischen seinem Vetter, Graf Benoît, und einer »Engländerin von Rang und Namen«, womit meines Dafürhaltens ein Mitglied unserer engeren Familie gemeint ist, fürderhin zu stärken. Welche
familiären Bande sind enger als die zu dem eigenen Kind? Ihr wisst, Euer Heiligkeit, welche Schwierigkeiten es uns bereitet hat, eine standesgemäße Heirat für Unsere schwer zu zähmende Isabella zu arrangieren; ich erspare Euch eine Aufzählung der Launen, die sie an den Tag legte, da diese Euch sicherlich schon zu Ohren gekommen sind. Ich möchte die Vermählung zwischen Isabella und de Coucy nicht durch ein Versäumnis an seinem Vetter in Gefahr bringen, für den er eine ungewöhnlich tiefe Zuneigung zu hegen scheint.
De Coucys Vetter Benoît war ein wehleidiger, an allem herummäkelnder Mann, überdies feige, der seine vielen Unzulänglichkeiten durch fürchterliche Tobsuchtsanfälle auszugleichen suchte, wenn etwas nicht nach seinem Willen ging. Dass ihm der König die wundervolle Kate zur Gemahlin geben wollte, war eine Schande. Aber es mangelt ihm an heiratsfähigen Töchtern, erkannte Chaucer. Er muss auf irgendeine Weise eine weitere Tochter herbeizaubern, um die Verbindung für Isabella zu sichern. Die Königin konnte keine Kinder mehr empfangen,
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