Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
beobachtete, und stellte fest, dass er sich müde die Augen rieb. Chaucer stieß gegen das Tintenfass, und es fiel um, und ein großer Tintenfleck breitete sich auf dem Blatt aus.
Er sprang auf und bog die Ränder nach oben, um zu verhindern, dass die Tinte auf den Boden tropfte. Das Poltern des Stuhls veranlasste den König, sich umzudrehen.
»Ich bitte um Verzeihung, Euer Majestät«, sagte Chaucer. »Ich hatte einen Krampf in der Hand - bitte vergebt mir meine Ungeschicklichkeit!« Er zeigte dem König den Schaden. »Ich werde den Brief heute Abend neu schreiben und ihn Euch zum Versiegeln bringen, sobald ich damit fertig bin.«
Der König blickte auf das ruinierte Schriftstück und runzelte die Stirn. »Nun gut, aber bringt es vor der Stunde der Terz. Wir wollen den Aufbruch des Boten nicht verzögern.«
»Gewiss, Sire«, erwiderte Chaucer. Er ging zum Schreibtisch, nahm zwei Pergamentblätter und ein Tintenfässchen und verließ unter Verbeugungen das Schreibgemach des Königs.
Die Wachen, die für gewöhnlich vor Kates Tür standen, waren von zwei anderen abgelöst worden. Keiner der beiden grobschlächtigen
Kerle sagte etwas zu Chaucer, als er klopfte und abwartend stehenblieb.
Kate öffnete selbst.
»Eure Schreibstunde, Lady«, sagte Chaucer und zeigte ihr Pergament und Tintenfass. »Ich habe die Fehler korrigiert. Seine Majestät ist sehr bekümmert und möchte, dass wir sie noch einmal durchgehen.«
Als sie ihn nur verwirrt ansah, setzte er hinzu: »Auf der Stelle.«
Sie warf einen Blick zu den Wachen; diese zeigten nicht das geringste Interesse an Chaucer, der in dem Ruf stand, ein reichlich ungewöhnliches Benehmen an den Tag zu legen.
»O ja, sicherlich, wenn es der König wünscht«, sagte sie, als sie Chaucers List endlich begriff. Sie ließ ihn eintreten und schloss die Tür hinter ihm.
Chaucer fasste sie am Arm und führte sie durch das Gemach, dann sagte er im Flüsterton: »Der Bote bricht morgen früh auf, uns bleibt also wenig Zeit.« Er hielt Pergament und Tinte in die Höhe. »Ihr müsst mir nur sagen, was Ihr Eurem Père mitteilen wollt.«
Sie zögerte keine Sekunde, da ihre Gedanken um nichts anderes als um ihre Flucht kreisten. »Schreibt ihm, dass wir uns bei den Eichen treffen. Am ersten Maientag.«
Chaucer ließ sich an ihrem Schreibtisch nieder und machte sich daran, die Botschaft zu verfassen. Hin und wieder hielt er inne, um nach einem passenden Wort zu suchen, ein- oder zweimal strich er ein bereits geschriebenes aus und ersetzte es durch ein anderes. Einige Male fragte er, wie sie vorzugehen gedenke und was ihr Ziel sei. Als das Werk vollendet war, reichte er Kate das Blatt. Ihr Blick flog über die Zeilen auf dem Pergament.
Als sie zu Ende gelesen hatte, sah sie auf. »Ein Gedicht. Das wäre mir nicht in den Sinn gekommen.«
»Ich habe versucht, meine Handschrift zu verstellen«, sagte er. »Verzeiht das Gekritzel.«
»Ich selbst hätte es nicht halb so gut zuwege gebracht«, sagte sie, »und er wird es verstehen! Allein das zählt. Ihr wirkt Wunder, Chaucer. Wahre Wunder.« Mit vor Aufregung glühenden Wangen gab sie ihm das Blatt zurück.
Er rollte es sorgfältig zusammen und schob es in seinen Ärmel. »Der Bote wird es morgen früh erhalten.« Er nahm ihre Hand in seine. »Bevor ich Euch verlasse, muss ich jedoch noch über etwas anderes mit Euch sprechen.« Er zögerte kurz, dann fuhr er fort: »Wie es scheint, war unser Spiel als Verliebte recht überzeugend. Der König ist darauf aufmerksam geworden, wie Ihr vorhersagtet, und missbilligt es.«
»Ah, gut«, sagte sie, »das hatten wir ja erwartet … oder vielmehr: erhofft.«
Chaucer seufzte und blickte zu Boden.
Kate streckte die Hand aus und hob mit den Fingerspitzen sanft sein Kinn, bis ihre Augen sich trafen. »Es war nicht nur ein Spiel«, sagte sie leise.
»Oh, teure Kate, Euch diese Worte sagen zu hören … es lässt das Blut schneller durch meine Adern fließen! Ihr habt mein Herz in Besitz genommen.«
Jetzt war es an Kate, einen langen, tiefen Seufzer auszustoßen. »Wir wussten, was geschehen würde, aber das Wissen mindert nicht meinen Kummer. Meine Bewunderung für Euren Mut und Eure Treue kennt keine Grenzen.«
»Damit erweist Ihr mir eine große Ehre«, sagte Chaucer leise. »Man erwartet nicht, die Bewunderung einer Lady wie Euch zu gewinnen.«
»Die meine habt Ihr im Handumdrehen gewonnen, und sie wird Euch auf ewig gehören, mein teurer Freund und Gefährte.«
Ihre Worte erfüllten
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