Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
finden keine anderen Worte dafür, zweifelhafter Herkunft ist.
»›Zweifelhafte Herkunft‹«, sagte er laut. Er sah de Chauliac an. »Wie vornehm ausgedrückt.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Brief zu und las weiter.
Wir werden diese Ereignisse im Gedächtnis behalten, versteht sich, aber Wir hoffen aufrichtig, dass es niemals zu der Gelegenheit kommen wird, da Wir Uns gezwungen sehen, die Angelegenheit vor dem Heiligen Vater zur Sprache zu bringen.
»Mit anderen Worten, er würde es gegen Euch verwenden, indem er den Papst davon in Kenntnis setzt, wenn es von Vorteil für ihn wäre.«
»Es war seine Trumpfkarte«, sagte de Chauliac, »aber er machte niemals Gebrauch davon. Clemens starb, bevor er sie ausspielen konnte.«
»Aber warum hinterbrachte er es dann nicht seinem Nachfolger, wenn Eure Tat so verachtenswert war?«
»Jesus Christus sagte: ›Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist‹, und das trifft auch in diesem Fall zu. Da Ihr anderen Glaubens seid, wisst Ihr das vielleicht nicht.«
»Wie es der Zufall will«, erwiderte Alejandro, »habe ich diesen Abschnitt mit Guillaume bei seiner Lektüre Eurer Bibel gelesen.«
»Eure Weitsicht bei der Erziehung des Knaben ist löblich, Kollege. Ich befürchte, dass ich Ähnliches nicht tun würde. Doch wie dem auch sei, ein neuer Papst ist selten daran interessiert, sich mit den Problemen seines Vorgängers zu befassen. Ihm liegt mehr daran, sich seine eigenen zu schaffen, wenn man nach der Geschichte gehen darf. Als Clemens starb, hatte Edward seine Chance verpasst.«
Alejandro las rasch den Rest des Briefes. Er enthielt vage Andeutungen, dass man Vergeltung üben würde, sollte das Mädchen nicht zurückgebracht werden, aber im Großen und Ganzen war er sehr viel weniger bösartig, als er erwartet hätte. Er reichte de Chauliac das Pergament. »Man gewinnt den Eindruck, dass er zu diesem Zeitpunkt froh darüber war, sie los zu sein, und dass sein Protest eher dazu diente, seinen Einfluss auf den Papst hervorzuheben.«
»So ist es.«, sagte de Chauliac. »Aber die Umstände haben sich geändert, wie sie es nun einmal lästigerweise tun.«
»Und nun, da sie von Nutzen für ihn sein könnte, hat er sie in seiner Gewalt.«
»Ja, aber nicht mehr lange, so ist zu hoffen.« De Chauliac hob seine Decke an und tastete darunter herum, und kurz darauf brachte er ein weiteres Schriftstück zum Vorschein. Er legte es vorsichtig auf das Tablett.
»Dies wurde gestern Abend von einem Boten überbracht,
während Ihr noch von Eurer Arbeit in Anspruch genommen wart. Es widerstrebte mir, Euch und Philomène zu stören. Ich glaube, dieser Brief ist für Euch bestimmt«, sagte er, »obwohl mein Name darauf steht. Auch er kommt aus England und trägt das Siegel des Königs, was höchst merkwürdig ist.«
Alejandro griff nach dem Pergament und hielt es eine Weile vorsichtig in der Hand. Er drehte es hin und her und musterte es, als versuche er herauszufinden, ob es wirklich war oder lediglich ein Trugbild seiner Phantasie.
De Chauliac befreite ihn aus diesem Dilemma. »Öffnet es«, wies ihn der Franzose an. »Lest.«
Alejandro ließ sich auf einem Lehnstuhl neben de Chauliacs Bett nieder, ohne die Augen von dem Pergament zu nehmen. Langsam faltete er es auseinander, doch nachdem er einen raschen Blick darauf geworfen hatte, sah er de Chauliac überrascht an. »Englisch!«, sagte er. »Aber wer … wie …«
»Ich weiß es nicht, da ich diese Sprache selbst nicht lesen kann. Und obwohl der Brief Edwards Siegel trägt, bezweifle ich, dass er ihn zu schreiben vermocht hätte. Möglicherweise hat er mit fortschreitendem Alter eine gewisse Gelehrsamkeit entwickelt und ein Interesse für die Sprache, die das gemeine Volk in seinem Königreich spricht, aber es fällt mir schwer, das zu glauben. Ich nehme vielmehr an, dass dieses Schreiben für Euch bestimmt ist - und wenn nicht, wenn es tatsächlich an mich gerichtet ist, bin ich dennoch auf Euch angewiesen, weil ich es nicht entziffern könnte. Also lest, Kollege, und dann übersetzt mir, was darin steht - ich bin aufs Äußerste gespannt!«
14
Michael hörte das Rasseln seines Atems in dem Anzug, aber kein Zischen, das auf ein Loch hingewiesen hätte. Der Rest der Gruppe blieb ein gutes Stück hinter ihm zurück, als er langsam über den rissigen Bürgersteig auf die erste der drei Fundstellen
zuging und dabei so gut wie möglich den vertrockneten Grasbüscheln auswich, die durch den Beton wuchsen und unter seinen
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