Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim
hinten am Fenster«, sagte er und wandte sich von mir ab. »Muß hierbleiben.« Er wartete, um sich zu überzeugen, daß ich ihm folgte, und ging dann denselben Weg zurück, den er gekommen war.
Seine Kleidung war seltsam, aber nicht unvertraut. Als ich ihn erreichte, hatte ich sie eingeordnet. Es war die hell- und dunkelblaue Uniform der Konföderation.
Auf seinem Tisch stapelten sich elektronische Geräte. Ein Kabelgewirr verband drei Computer, eine Reihe Monitore, einen Generator und Gott weiß was noch miteinander. Er stand davor, einen Lautsprecherstöpsel in einem Ohr, anscheinend in die Darstellungen auf den Monitoren vertieft: schematische Anordnungen, Ortungsdiagramme, Zahlen- und Symbolkolonnen.
Er warf einen Blick in meine Richtung, ohne mich wirklich zu sehen, zeigte auf eine Flasche Rotwein, holte ein Glas hervor und bedeutete mir, mich zu bedienen. Dann lächelte er über etwas, das er gesehen hatte, legte den Ohrstöpsel auf den Tisch und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Ich bin Matt Olander«, sagte er. »Was, zum Teufel, machen Sie hier?«
Er war in mittlerem Alter, ein schmales Handtuch von Mann, dessen graue Haut fast der Farbe der Wände entsprach und ihn als Fremdweltler kennzeichnete. »Ich glaube, ich verstehe die Frage nicht ganz«, sagte ich.
»Warum sind Sie nicht mit den anderen gegangen?« Er musterte mich eindringlich, und ich glaube, er bemerkte, daß ich völlig durcheinander war, und dann schaute er auf einmal verwirrt drein. »Sie haben alle herausgeholt«, sagte er.
»Wer?« fragte ich. Meine Stimme drohte sich zu überschlagen. »Wer hat alle wohin herausgeholt?«
Er tat so, als sei das eine dumme Frage, und griff nach der Flasche. »Wir konnten wohl kaum damit rechnen, alle zu erwischen. Wo waren Sie? In irgendeiner Mine? Draußen in den Hügeln, ohne Komlink?«
Ich sagte es ihm, und er seufzte, als hätte ich eine Indiskretion begangen. Sein Uniformhemd war am Hals geöffnet, und eine leichte Jacke, die nicht zur normalen Ausstattung gehörte, schützte ihn vor der Kälte. Sein Haar war dünn, und dem Gesicht nach war er eher ein Kaufmann als ein Soldat. Seine Stimme wurde weich. »Wie heißen Sie?«
»Lee«, sagte ich. »Kindrel Lee.«
»Tja, Kindrel, wir haben fast zwei Wochen gebraucht, um Ilyanda zu evakuieren. Das letzte Schiff flog gestern am späten Vormittag zur Raumstation hinauf. Soweit ich weiß, sind nur noch wir beide hier.«
Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Monitor.
»Warum?« fragte ich. Ich empfand eine Mischung aus Erleichterung und Furcht.
Sein Gesichtsausdruck verriet, daß er sich wünschte, auch ich wäre evakuiert worden. Nach einem Augenblick berührte er seine Tastatur. »Ich zeige es Ihnen«, sagte er.
Auf einem der Bildschirme – ich mußte die Flasche zur Seite stellen, um ihn gut sehen zu können – erschien eine Anordnung aus konzentrischen Ringen, über denen acht oder neun Ortungsimpulse blinkten. »Ilyanda liegt in der Mitte. Oder besser gesagt die Raumstation. Die Reichweite beträgt eine halbe Milliarde Kilometer. Die Ortungssignale stellen eine Flotte der Stummen dar. Großkampfschiffe und Schlachtkreuzer.« Er atmete tief ein und langsam wieder aus.
»Die Raumflotte, Miß Lee«, fuhr er fort, »wird den Mistkerlen zeigen, wo’s langgeht.« Er schob das Kinn vor, und in seinen Augen erschien ein Funkeln. »Endlich mal. Es ist schon lange überfällig. Sie treiben uns seit drei Jahren vor sich her. Aber heute gehört der Sieg uns.« Er hob sein Glas zu einem spöttischen Gruß.
»Ich bin froh, daß Sie die Bevölkerung evakuieren konnten«, sagte ich in die Stille.
Er neigte den Kopf in meine Richtung. »Sim hätte es sonst nicht gemacht.«
»Ich hätte nie gedacht, daß der Krieg hierherkommen würde.« Ein weiteres Ortungssignal blinkte auf dem Bildschirm auf. »Aber ich verstehe es nicht«, sagte ich. »Ilyanda ist neutral. Und ich habe nicht gewußt, daß wir dem Kampfgebiet so nahe sind.«
»Kindrel, in diesem Krieg gibt es keine Neutralität. Sie haben nur andere für sich kämpfen lassen.« Seine Stimme enthielt eine gewisse Verachtung.
»Ilyanda befindet sich im Friedenszustand!« schoß ich zurück, obgleich mir die Frage mittlerweile rein rhetorisch vorkam. Ich sah ihn an, in seine Augen, erwartete, daß er den Blick senkte. Doch ich sah nur Haß. »Oder befand es sich zumindest«, fuhr ich fort.
»Niemand befindet sich im Friedenszustand«, sagte er. »Seit langer Zeit schon nicht mehr.« Seine
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