Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim
Sternenflüge und vermeide sie, wenn es nur geht. Vielen Menschen wird bei den Übergängen zwischen dem Armstrong- und dem Linearraum schlecht, doch mich scheint es besonders schwer zu treffen. Ich habe auch Schwierigkeiten, mich an die Veränderungen der Schwerkraft, Zeit und des Klimas anzupassen.
Überdies waren da noch die schiere Unsicherheit und Unannehmlichkeiten einer solchen Reise. In jenen Tagen wußte man nie, wann man den Bestimmungsort erreichen würde. Schiffe, die durch den Armstrongraum reisten, konnten ihre Position in bezug auf die Außenwelt nicht bestimmen. Das machte die Navigation etwas unsicher. Sie wurde aufgrund rein rechnerischer Daten durchgeführt, was bedeutet, daß die Computer die an Bord vergangene Zeit maßen und die Unsicherheiten des Eintritts auszugleichen versuchten, während Passagiere und Besatzung das Beste hofften. Gelegentlich wurden Vektoren verschoben, und die Schiffe materialisierten tausend Lichtjahre von ihrem Ziel entfernt.
Die unangenehmste Möglichkeit war jedoch die, innerhalb eines Himmelskörpers in den Linearraum zurückzufallen. Wenngleich die Aussichten auf solch ein Ereignis sehr gering waren, mußte ich trotzdem immer daran denken, wenn ein Schiff die Vorkehrungen für den Rücksprung traf. Man weiß niemals wirklich ganz genau, wo man herauskommen wird.
Offensichtlich hat die Hampton vor fast einem Jahrhundert genau dieses Schicksal erlitten. Die Hampton war ein kleiner Frachter, der, wie die Capella, im Nonlinear verschwand. Sie beförderte eine Fracht technischer Geräte zu einer Minenkolonie im System Marmichon. Etwa zu der Zeit, da das Schiff den Sprung aus dem Hyperraum machen sollte, explodierte ein äußerer Planet, der Gasriese Marmichon VI. Niemand hat je eine Erklärung gefunden, wie eine Welt ohne Hilfe in die Luft gehen kann. Damals wurde spekuliert, das Schiff sei im Eisenkern des Planeten materialisiert und der Antimaterie-Treibstoff im Armstrong-Antrieb habe die Explosion ausgelöst.
Armstrong-Generatoren waren mit Deflektor-Schildern ausgerüstet, die ein Feld schufen, das stark genug war, um ein paar Atome aus dem Weg zu räumen und Platz für den Übergang des Schiffs in den Linearraum zu schaffen. Wenn zu dieser kritischen Phase etwas Größeres in den Weg geriet, war das Schiff gefährdet. Es bestand natürlich kaum eine echte Gefahr. Die Vorschriften besagten, daß die Schiffe weit außerhalb von Sonnensystemen materialisieren mußten. Das brachte natürlich eine relative Sicherheit mit sich, aber auch lange Strecken, die der Reisende zu seinem Ziel zurücklegen mußte. Normalerweise konnte man davon ausgehen, daß der Flug vom Armstrong-Austrittspunkt zu dem eigentlichen Ziel in etwa doppelt so lange dauerte wie die Reise zwischen den Sternen selbst. Ich hatte noch nie einen Flug unternommen, bei dem ich meine Ankunft auf fünf Tage genau angeben konnte.
Der Flug nach Rimway war keine Ausnahme. Mir wurde beide Male, als wir den Sprung machten, fürchterlich schlecht. Die Gesellschaften verteilen Medikamente, die die Beschwerden lindern sollen, doch bei mir hat noch nie eins davon geholfen. Ich habe gelernt, mich auf Alkohol zu verlassen.
Trotzdem war es schön, Rimway wiederzusehen. Wir näherten uns von der dunklen Seite, so daß ich die flammenden Lichtsplitter sehen konnte, die die Städte markierten. Die Sonne erhellte einen dünnen Atmosphärebogen um den Planeten. Durch das gegenüberliegende Fenster konnte man den hellbraunen, von Turbulenzen und Stürmen geplagten Mond sehen.
Wir glitten in den Orbit, durchquerten die Beleuchtungsgrenze ins Tageslicht und senkten uns ein paar Stunden später durch einen sonnengebleichten Himmel Andiquar entgegen, der planetaren Hauptstadt. Eine beeindruckende Landung. Dennoch versprach ich mir, daß meine interplanetaren Tage vorüber seien. Ich war zu Hause, und bei Gott, dort würde ich bleiben.
Über der Stadt fiel Schnee. Die Sonne stand tief im Westen und warf tausend Schatten auf gefrorene Türme und die Gipfel im Osten. Die weitläufigen Parks der Hauptstadt waren im Sturm so gut wie nicht mehr auszumachen. Auf dem Dreieck der Konföderation waren blau und zeitlos die Monumente der beiden großen Brüder auszumachen: Christopher Sims dorische Pyramide, deren erhellte Spitze standhaft gegen die übergreifende Dunkelheit anleuchtete, und, auf der anderen Seite des Weißen Teichs, Tarien Sims Omni, eine geisterhafte Kugel, Symbol für den Traum des Staatsmannes von einer geeinten
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