Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim
müßten eigentlich ganz genau sein. Aber der Computer sagt, zwischen fünfundzwanzig und zweiunddreißig Stunden.«
»Das ist wohl kaum die richtige Zeit, um sich über Details den Kopf zu zerbrechen.«
»Ganz deiner Meinung. Als ich an Bord kam, habe ich sofort die Aufladung eingeleitet.«
»Wann werden die Stummen hiersein?«
»In etwa sechs Stunden.«
»Worauf warten wir dann?«
»Sie werden uns erwischen, lange bevor wir den Sprung machen können. Selbst wenn wir uns an der optimistischsten Schätzung orientieren.« Sie hatte die Bordsysteme wieder funktionsfähig gemacht. Ein jedes Schott öffnete sich, wenn wir uns ihn näherten, und schloß sich hinter uns wieder. »Ich hielt es für das beste, die einzelnen Schiffsteile abgeschottet zu halten, bis wir einigermaßen sicher sind, daß die Systeme in Ordnung sind.«
»Ja«, pflichtete ich bei. »Gute Idee. Wieso können wir nicht vor ihnen fliehen? Ich dachte, dieses Schiff sei verdammt schnell.«
»Ist es wahrscheinlich auch. Aber sie fliegen schon mit hoher Geschwindigkeit, und wir müssen aus dem Stand beschleunigen.«
Ich versuchte, mir die Lage vorzustellen. Sie klang ganz nach Sims Problem bei Hrinwhar. Feindschiffe im Anflug, und keine echte Chance, genug Fahrt zu bekommen. Was hatte er getan? »Wie lange dauert es, um auf einen Vektor für einen Geradeauskurs zu gehen?« fragte ich.
»Du meinst, du willst ihnen entgegenfliegen?«
»Gewissermaßen.«
Sie runzelte die Stirn. »Warum es ihnen leichter machen?«
»Chase«, sagte ich. »Was passiert, wenn wir an ihnen vorbeifliegen? Wie lange brauchen sie, um zu wenden?«
»Verdammt.« Ihr Gesicht erhellte sich. »Sie würden uns nie einholen. Natürlich würden sie uns beim Vorbeiflug wahrscheinlich ein großes Loch ins Schiff schießen.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach ich. »Sie haben wegen dieses Schiffes eine Menge Ärger auf sich genommen. Der Angriff auf den Centaur sollte nur verhindern, daß wir an Bord der Corsarius gehen. Ich glaube nicht, daß sie das Risiko eingehen werden, das Schiff zu vernichten.«
»Vielleicht doch, wenn sie glauben, daß wir damit entkommen könnten.«
»Dann müssen wir es eben darauf ankommen lassen. Oder hast du eine bessere Idee?«
»Nein«, sagte sie und nahm auf dem Pilotensitz Platz. »Es freut dich sicher zu hören, daß die Tests des Magnetantriebs einwandfrei verlaufen sind. Wir haben zumindest vollen linearen Schub. Wenn nötig, können wir die Corsarius nach Hause fliegen. Nur brauchen wir etwa fünftausend Jahre dafür.«
»Zeig mir den Stummen«, bat ich.
Über den Sichtluken befand sich ein großer Rundum-Monitor. Er verdunkelte sich zur Farbe des Nachthimmels, und der Außerirdische erschien. Ich hatte so etwas noch nie gesehen und war mir zuerst gar nicht sicher, ob es ein Raumschiff war; zumindest nicht, ob es eine Mannschaft befördern konnte. Es bestand aus einer Zusammenballung von schätzungsweise zwanzig Hyperboloiden verschiedener Form und Größe, die einander langsam umkreisten, als wären sie gar nicht miteinander verbunden. Es bestand nur noch eine stilisierte Ähnlichkeit zu den Schiffen der Außerirdischen zur Zeit des Widerstands. Zum Vergleich erschien in der unteren rechten Ecke eine Silhouette der Corsarius. Wir waren kaum größer als das kleinste Bestandteil des Außerirdischen.
»Sind wir sicher, daß es ein Stummer ist?«
Chase schüttelte den Kopf. »Das würde ich auch gern wissen. Ich bin mir nur sicher, daß es keins von unseren Schiffen ist. Und der Zerstörer war bestimmt ein Stummer.« Sie stieß sich von der Pilotenkonsole zurück und drehte sich zu mir um. »Willst du wirklich versuchen, an diesem Ding vorbeizufliegen?«
»Ja«, sagte ich. »Wir haben wohl keine andere Wahl.«
»Na schön«, erklärte Chase sich bereit und gab Anweisungen in die Computer ein. »Wir werden den Orbit in etwa fünfzig Minuten verlassen. Wie nahe willst du an sie herankommen?«
Ich dachte darüber nach. »Ich würde gern aus ihrer Schußweite bleiben. Hast du eine Ahnung, wie die aussehen könnte?«
»Nicht die geringste.«
»Na schön, versuchen wir es mit einem Minimum von zehntausend Kilometern. Damit müssen sie zumindest schon genau zielen. Und immer noch eine lange Kurve fliegen.«
»Gut«, sagte sie. »Programmiert. Übrigens baut dieses Ding wirklich eine Energiereserve auf. Wir haben genug Saft, um damit ein großes Interstellarschiff zu betreiben. Wenn es zu einem Kampf kommt, können wir ihnen ganz
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