Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim
Kampfeinheiten in dem Gebiet auf.
Gelegentlich erhaschte ich durch das, was ich für Öffnungen in schweren Wolken hielt, Blicke auf silberne und grüne Lichtstreifen, einen breiten, hellen Bogen, der sich mit uns zu bewegen schien. Dann war er verschwunden, und mit dem kurzen Glanz, mit dem er zurückblieb, schloß sich eine allgemeine Dunkelheit um uns.
Die Planetenringe, erklärte der Monitor. Wir steigen in eine Umlaufbahn. Sie werden in kurzer Zeit vollständig sichtbar sein.
Ja. Augenblicke später sprangen Schatten aus der surrealen Wolkenlandschaft hervor. Keile aus weicher Helligkeit und ein Dutzend funkelnde Gürtel aus eishartem Licht erschienen.
Es hätte die Regenbogenbrücke der nordeuropäischen Folklore sein können, die sich aus dem Nebel erhebt, zum Horizont erstreckt und die Sternenfelder umschließt. Scharlachrote, gelbe und grüne Bohlen wurden von breiten violetten Strebepfeilern gestützt. Blaue und silberne Bänder erhöhten die Illusion der Festigkeit, indem sie sich umeinander wanden.
Im äußersten Norden und Süden waren ein paar Sterne verstreut. Und zwei eingefallene Sonnen ließen sich mit Mühe in dem Glanz ausmachen. Coreopholi und Windyne, sagte der Monitor. Sie sind gemeinsam als die Kreisel bekannt, weil beide eine ungewöhnlich hohe Rotationsgeschwindigkeit haben. Wir befinden uns übrigens am Rand des Arms und blicken über den Rand der Galaxis hinaus. An dieser Stelle ist Sim am tiefsten in das ashiyyurische Gebiet eingedrungen.
Christopher Sims Flotte besteht aus sechs Fregatten. Und er hat ein Problem: Seine Schiffe sind erst vor acht Stunden aus dem Hyperraum gefallen, und die Armstrong-Einheiten sind leer. Man weiß nur wenig über das dellacondanische Antriebssystem, doch es wird bestenfalls einen knappen Tag dauern, bevor er sie wieder benutzen kann. Und er hat nicht die Zeit, so lange zu warten.
Eine Schlachtordnung rollte über mein Zentraldisplay. Die Außerirdischen hatten einen schweren, zwei, vielleicht drei leichte Kreuzer, sieben Zerstörer und dreizehn bis sechzehn Fregatten. Darüber hinaus verfügten sie über mehrere Flottenbegleitschiffe. Von dem schweren Kreuzer war bekannt, daß er in einem der Orbitdocks lag, von wo aus er keinen Schaden anrichten konnte.
Ich wußte, daß wir bei den Kreiseln gewonnen hatten, und ich wußte, daß wir eine große Übermacht geschlagen hatten.
Doch das war ein elektronisches Wissen gewesen. Nun saß ich hier und beobachtete eine Analyse der feindlichen Feuerkraft, die die Dellacondaner völlig entmutigt haben müßte.
»Worum geht es? Was wollte Sim damit erreichen?«
Dieses System hat seine Aufmerksamkeit aus einer Vielzahl von Gründen erregt. Es beherbergt eine bedeutende feindliche Basis, die als Mittelpunkt für logistische Koordination, Kommunikation, Geheimdienstaktivitäten und langfristige strategische Planung dient. Von dieser Anlage nimmt man an, daß sie auf einen Angriff schlecht vorbereitet ist, sowohl wegen ihrer Entfernung von der Front als auch wegen der ashiyyurischen Psychologie. Zu diesem Zeitpunkt ist der Krieg noch jung, und der Feind hat sich noch nicht an die menschlichen Methoden gewöhnt. Die Außerirdischen haben die Kriegsführung traditionell auf einer formellen, ritualisierten Grundlage betrieben. Sie erwarten von sich feindlich gegenüberstehenden Mächten, daß sie ihre Absichten weit im voraus erklären, an der Front Stellung beziehen, Grüße wechseln und in einem vereinbarten Augenblick mit den Kampfhandlungen beginnen. Sim kämpft natürlich auf die klassische menschliche Weise. Was heißen soll, daß man ihm nicht vertrauen kann. Er greift vereinzelte Kriegsschiffe aus dem Hinterhalt an, überfällt Versorgungsstützpunkte, greift ohne Warnung an und – was vielleicht am unerhörtesten ist – weigert sich, formelle Schlachten auszufechten. In den Augen der Ashiyyur ist das unmoralisch.
Die Seite mit der überlegenen Feuerkraft erwartet immer, daß alle nach ihrer Pfeife tanzen.
Die Basis liegt inmitten eines Kraters und ist optisch nur schwer auszumachen. Es handelt sich eigentlich um eine unterirdische Stadt beträchtlicher Größe. Man schätzt die Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt auf etwa achttausend.
Sim geht davon aus, daß ein erfolgreicher Angriff hier sehr wünschenswerte, weitreichende Konsequenzen haben wird: Er rechnet damit, Zugang zu detaillierten Informationen über feindliche Kriegsschiffe, taktische Möglichkeiten und strategische Pläne zu bekommen. Des
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