Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
mir bewusst gewesen war.
»In Ordnung, Janey«, hörte ich die Stimme wieder. »Sie machen das gut. Bleiben Sie ganz ruhig!«
Ich zog mir die Jacke über den Kopf und schnürte sie mit der Raffschnur des Schals an meinem Hals zusammen.
»Okay, das ist gut! Atmen Sie normal! Und halten Sie sich am Griff fest, damit Sie nicht hinausgesogen werden!«
Inzwischen konnte ich ihm allerdings nicht mehr antworten. Aber ich umfasste den Türgriff und die Armlehne des Stuhls.
»Ich werde Sie jetzt gleich rausziehen. Sobald ich Ihren Arm packe, lassen Sie los! Wahrscheinlich werden Sie sich instinktiv weiter festhalten wollen. Aber das dürfen Sie nicht tun, verstanden? Lassen Sie los, sobald Sie merken, dass ich Sie festhalte!«
Ich wusste, dass schon andere solch eine Rettungsaktion erlebt hatten und es keine ernste Gefahr gab, solange ich nicht den Kopf verlor. Und jetzt werde ich ein Geständnis ablegen: Ich genoss es beinahe, das zarte Fräulein in Not zu spielen!
»Öffnen Sie die Tür!«
Ich zog an der Verriegelung und öffnete die Tür, wie geheißen.
Explosionsartig entwich die Luft nach draußen. Dann wurde es furchtbar kalt in meiner Welt. Es war, als würde man nackt auf einen Eisberg geworfen. Ich fing an zu zittern.
Er nahm meinen Arm und zog mich aus dem Taxi. Ich konnte nichts sehen; ich versuchte nur, normal zu atmen, als er sich abstieß und wir uns ruckartig vom Taxi entfernten.
Ruckartig, weil wir für einen Moment das Antigravitationsfeld verließen. Mein Gewicht war wieder da, und für einen entsetzlichen Augenblick fielen wir. Aber unser eigener Schwung trug uns hinüber.
Das Gewicht verschwand wieder, so schnell, wie es gekommen war. Wir berührten Metall. Den Kopf sicher in die Jacke gewickelt, schloss ich die Augen. Luftdruck wirkte auf mich ein, und ganz allmählich wurde es wieder warm in meiner Welt.
27
Das verspreche ich dir, Beth: Solange ein Stern am Himmel steht, wird dich kein Übel treffen!
Mitternacht und Rosen
Lance bestand darauf, dass ich mich medizinisch untersuchen ließe, und das konnte ich auf keinen Fall verweigern, ohne Verdacht zu erregen. Außerdem blutete ich aus jeder verfügbaren Körperöffnung. Also führte er mich hinunter. Unterwegs sagte er, er wisse, das sei kein besonders guter Zeitpunkt, aber er würde sich freuen, mich einmal wiederzusehen.
Ein ziemlich überraschendes Anliegen, bedachte man, in welchem Zustand ich mich befand. »Das wäre nett, Lance«, gestand ich.
»Morgen habe ich Dienst. Aber …« Er zögerte. »Werden Sie auf der Station bleiben? Ich nehme an, die Leute dort werden mit Ihnen sprechen wollen.«
Er ließ sich nicht genauer darüber aus, wer ›die Leute‹ waren. »Ich muss zurück an die Arbeit«, sagte ich. »Ich kann wirklich nicht bleiben!«
Er lächelte. Er war ein großer, gut aussehender Bursche, dem eine Aura der Unschuld anhaftete, die überaus anziehend wirkte, und wir wissen ja alle, wie sehr Frauen Uniformen lieben. Ganz zu schweigen von Kerlen, die ihnen den Arsch retten.
Aber es war zu riskant, ihm zu sagen, wie er mich erreichen könnte, also gab ich ihm einen falschen Code zu dem falschen Namen. Als wir uns voneinander verabschiedeten, versprach er, sich zu melden, woraufhin ich mit einem Augenaufschlag antwortete, mich bedankte, ihn umarmte und dachte: Lebewohl!
Auf der Krankenstation sagte man mir nach eingehender Untersuchung, es sei alles in Ordnung, bat aber zugleich, ich möge doch für einen Tag zur Beobachtung dortbleiben. Ich bedankte mich, verzichtete aber und machte mich auf den Weg zum Büro der Einsatzzentrale.
Vor mir lag ein weiterer kritischer Augenblick. Um an die Belle-Marie zu kommen, musste ich meinen echten Namen nennen. Was vermutlich dazu führen würde, dass die Gendarmen sich auf mich stürzen würden, ehe ich auch nur daran denken konnte zu starten. Ivan zu kontaktieren war eine weitaus bessere Chance. Aber ich wollte so sehr an Bord der Belle gehen und das Dock räumen!
Der Dienst habende Beamte kam aus dem angrenzenden Raum und nahm seinen Platz am Schalter ein. »Nun, Ma’am«, sprach er mich an, »was kann ich für Sie tun?« Er war groß, hatte einen dichten grauen Schnurrbart und grau meliertes Haar. Fortgeschrittenes Alter, ernstes Auftreten. Dass ein Typ wie der immer noch am Schalter saß, bedeutete wohl, dass er mehrfach übergangen worden war.
»Mein Name ist Kolpath«, sagte ich. »Ich brauche eine Freigabe für mein Schiff. Die Belle-Marie.«
Er war
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