Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
so viele Passagiere und war erheblich gemütlicher. Außerdem war die Bordversorgung sehr viel besser. Und der Gemeinschaftsraum war in alle Richtungen (mit Ausnahme der ins Schiffsinnere) transparent gestaltet. Der Komet bot, als wir ihn erreicht hatten, einen spektakulären Anblick. Man konnte sich leicht vorstellen, sich überhaupt nicht an Bord eines Schiffes zu befinden. Es war beinahe, als umfliege man das Ding in einem behaglichen Sessel. Mit einem Glas Wein und ein paar Hors-d’œuvres.
Trotz all der Annehmlichkeiten war ich nicht in der richtigen Stimmung, den Anblick angemessen zu würdigen. Und meine Gedanken gingen wild hin und her. Ich saß im prachtvollen Licht des Kometen da und überlegte tatsächlich, ob ich, wenn wir zurückkämen, mich vielleicht, bis alle fort waren, im Waschraum verstecken sollte, mich dann mit dem Schiff davonmachen und zu dem Asteroiden fliegen könnte. Treibstoffprobleme würde es vermutlich nicht geben. Aber ich würde ins Visier jedes einzelnen Patrouillenschiffes der näheren Umgebung geraten. Ivan war die bessere Lösung.
Cavarottis Komet kreiste bereits seit über dreitausend Jahren um die Sonne und erhellte den Himmel über Salud Afar. Erstmals gemeldet worden war er von John Cavarotti, der dem Himmelskörper seinen Namen gegeben hatte. Der Pilot der Excelsior berichtete, dass der Komet anfinge zu zerbrechen und die Wissenschaftler glaubten, er würde nur noch ein paar weitere Male über den Himmel ziehen, ehe er endgültig zerfiele. »Viele Leute«, sagte er, »wünschen sich, ihn für zukünftige Generationen zu erhalten, und es werden bereits Anstrengungen unternommen, dieses Ziel zu erreichen.«
Der Komet war der Sonne nahe genug, um ihr Licht zu reflektieren, und der Anblick war sensationell. Wir setzten uns vor ihn und blickten zurück auf den Kopf des Kometen, sahen Kern und Koma. Dann sanken wir unter ihn, verzögerten und gestatteten ihm, uns zu passieren. Sein Schweif war endlos. »Mehr als eine Million Kilometer lang«, belehrte uns der Pilot. »Für einen Kometen nichts Besonderes.«
Am zweiten Tag, während wir uns immer noch des Feuerwerks erfreuen durften, kam der Pilot zu mir und erkundigte sich, ob ich rein zufällig Chase Kolpath sei. Ich zögerte. »Ja«, sagte ich dann.
»Ihre Bordkarte lautet auf Jane Armitage.«
»Ich bin Schriftstellerin. Kolpath ist mein Pseudonym.«
Er runzelte die Stirn. Dann lächelte er. »Okay. Ich habe eine Botschaft für Sie. Von Ivan.«
»Oh«, sagte ich. »Gut!«
»Ich habe ihm gesagt, wir hätten niemanden dieses Namens an Bord, da hat er Sie beschrieben. Einschließlich Ihres Akzents.«
»Ich verstehe. Danke. Ich hatte gehofft, ich würde ihn noch zu sehen bekommen.«
Er reichte mir die Botschaft. Chase, begann sie, ich hoffe, es ist alles in Ordnung. Ich werde auf dich warten, wenn du zurückkommst. Ivan.
Ohne Zwischenfälle ging ich von Bord und wurde bereits von Ivan erwartet. Er reichte mir eine Packung Minzbonbons. »Was ist los?«, fragte er, während er zusah, wie ich prüfend die Leute um uns herum musterte. »Suchst du jemanden?«
»Lass uns irgendwohin gehen, wo wir uns unterhalten können!«
»Wie wäre es mit dem Club?«
»Da werden sie mich zuerst suchen.«
»Wer sucht dich?«
»KSD.«
Er verzog das Gesicht. »Wo zum Teufel bist du bloß hineingeraten, Chase?«
Ich brachte ihn mit einem hastigen Zischlaut zum Schweigen. »Ich muss unter vier Augen mit dir sprechen!«
Er legte sein Gesicht in ein Meer aus Falten, und seiner Kehle entstieg ein höchst unglücklicher Laut. »Bei mir wird es nicht gehen. Kara hat heute ihre Tikondo-Leute zu Gast.« Kartenspieler.
Schließlich einigten wir uns auf die Samuels Lounge. Sie war groß und voller Menschen, und als wir uns dort umsahen, konnte ich keine Anzeichen drohender Schwierigkeiten entdecken. »Okay«, sagte er, »erzähl mir endlich, was los ist!«
Wir verzogen uns in eine Nische mit einem herrlichen Ausblick: Callistra, blau und strahlend über dem Horizont des Planeten, und dahinter weiter nichts als ein schwarzer, leerer Himmel. Irgendwo da draußen gab es noch andere Galaxien. Aber sehen konnte man keine von ihnen.
Ich beugte mich über den Tisch und senkte die Stimme.
Mitten in meiner Erzählung wurden unsere Getränke serviert. Etwas Unaussprechliches für ihn, Rotwein für mich. Ich öffnete die Bonbonpackung und schob sie zu ihm hinüber. Er nahm eines, lauschte, starrte auf den Tisch, starrte mich an, sah sich in dem
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