Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
zu Alex. »Ich hätte wirklich keine Lust, jetzt zu versuchen, mit öffentlichen Transportmitteln von hier wegzukommen!«
Alex schaute zum Fenster hinaus, als wir die Wolkendecke passierten. »Tja, schlechte Neuigkeiten haben stets auch für irgendjemanden etwas Gutes, nehme ich an. Dein Freund Ivan dürfte ein Vermögen machen.«
»Sternschein-Reisen wird ein Vermögen machen, nicht Ivan!«
Während des Fluges sahen wir uns die Nachrichtensendungen an. Sie waren vollgestopft mit Berichten über Leute, die davon sprachen, Salud Afar zu verlassen, über Wissenschaftler, die die Behauptungen der Regierung in Frage stellten, und über politische Kommentatoren, die Administrator Kilgores Rücktritt einforderten. Andere wiederum zeigten sich überzeugt, es handele sich um eine Verschwörung mit dem Ziel, die Preise zu ruinieren, damit ein paar reiche Leute ihren Besitz vergrößern könnten. Oder um Kilgore eine Möglichkeit zu geben, ein diktatorisches System zu etablieren. Manche Leute verkündeten lauthals, es sei ihnen scheißegal, was da komme, niemand würde sie aus ihren Häusern verjagen.
Leitartikel schmückten sich mit zornigen Schlagzeilen: Die Explosion ereignete sich vor 1200 Jahren, und wir erfahren erst jetzt davon?
Und: Kilgore könnte mehr gewusst haben.
Und: Zeit, ein paar Raumarchen zu bauen.
Der einzige Stern am Himmel, und niemand hat etwas gemerkt.
Zeit für einen Regierungswechsel.
Prominente und Politiker forderten zur Einigkeit auf. Es sei, so erklärten sie, Zeit, die Differenzen beizulegen und gemeinsam auf die beste Lösung hinzuarbeiten, wie immer sie auch aussehen möge. Es gab Aufrufe zu weltweiten Gebeten, und die diversen Religionen, deren Angehörige einander, wie Peifer mir erzählt hatte, von jeher gern an die Kehle gegangen waren, fanden plötzlich um der gemeinsamen Sache willen zusammen.
Jemand rief eine Kinderrettungskampagne ins Leben. Diese Leute verlangten, dass alle verfügbaren Plätze auf abreisenden Schiffen für Kinder bereitgestellt werden sollten. Sie sind unsere Zukunft. Jeder, der ein interstellares Vehikel besaß, wurde aufgefordert zu helfen. »Nehmt ein paar der Kinder mit!«
Rettet die Kinder.
Parkweg 17 kündigte an, der Administrator werde am Abend eine weitere Ansprache halten und einen ersten Schlachtplan vorlegen.
Dem Ganzen haftete eine Aura des Unwirklichen an. Trotz all der hektischen Aktivität bezweifelte ich, dass der Ernst der Lage den Menschen bereits wirklich bewusst geworden war. Die Leute reagierten in einer Weise, die auf mich wirkte, als rechneten sie mit einem bösen Unwetter. Die Frage war, wie sie es am besten überstehen könnten. Wir sind doch noch lange nicht auf der Korinbladt, schienen sie zu verkünden. Die Korinbladt war jenes Linienschiff, das gerade erst im vergangenen Jahr manövrierunfähig zusammen mit mehr als siebenhundert am Ende gut durchgebratenen Passagieren in eine Sonne gesogen worden war.
Durch ein paar treibende weiße Wolken blickte ich hinunter auf die üppig grüne Landschaft, auf kleine Wälder und Wäldchen aus Bäumen und Sträuchern, auf sanfte Hügel. Und ich konnte nicht glauben, dass diese ganze Welt in drei Jahren verstrahlt sein würde. Dass sie Jahrzehnte oder länger unbewohnbar sein würde.
Ich konnte mich des Mitgefühls mit Kilgore nicht erwehren, der sich auch der Tatsache stellen musste, dass sein Mangel an Wissbegier eine Welt voller Leben kosten würde. Und zugleich fragte ich mich, wie er so geistesabwesend hatte sein können, dass ihm entgangen war, was da vor sich ging? Zumindest schien er jetzt seiner Verpflichtung nachzukommen. Schon heute Abend würde er eine Strategie vorlegen.
»Dabei wünsche ich viel Glück!«, lautete Alex’ Kommentar.
Physiker wurden befragt. Evan Carbacci vom Nakamura-Institut wies daraufhin, dass wir von jeher gewusst hätten, dass Callistra instabil gewesen sei und dass gerade im letzten Monat die Planung für eine Mission zur Überprüfung seines Status stattgefunden habe. »Wenn Ihnen das ein bisschen verspätet vorkommt«, führte er aus, »sollten Sie bedenken, dass solche Dinge üblicherweise Zeiträume von Millionen von Jahren umfassen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns auch nur ansatzweise auf den Gedanken gekommen ist, die Explosion stünde unmittelbar bevor. In menschlichen Begriffen unmittelbar. Ganz zu schweigen davon, dass sie bereits erfolgt sein könnte.«
Als er bedrängt wurde, reagierte er erbost. »Seien wir doch mal ehrlich!
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