Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
Die Wahrheit ist, dass wir ganz einfach großes Pech gehabt haben. Wir wussten, dass die Wahrscheinlichkeit, wir würden in Gefahr geraten, sollte das verdammte Ding hochgehen, minimal war. Wer wäre denn da auf den Gedanken gekommen …?«
Familien appellierten an jedermann, der vorhatte, Salud Afar zu verlassen, er möge ihre Kinder mitnehmen. Etliche organisierte Moralwächter verlangten Ermittlungen, um aufzudecken, wer verantwortlich zu machen sei. Verschwörungstheorien erblühten in rauen Mengen. Nicht nur, dass Cleev und Kilgore – suchen Sie sich einen aus! – Bescheid gewusst hätten, hier und da hieß es sogar, eine geheime Gruppe habe ebenfalls alles gewusst, aber aus religiösen Gründen Stillschweigen bewahrt (welche religiösen Gründe das sein sollten, wurde dabei nicht erklärt). Andere behaupteten, es gehe gar keine Gefahr von Callistra aus, das sei nur ein Vorwand und die wahre Gefahr drohe von dem Raum-Zeit-Riss, der sich über dem Planeten auftue und ihn mit Mann und Maus verschlingen werde.
Trotz allem fiel die öffentliche Reaktion erheblich maßvoller aus, als Wexler oder Kilgore es erwartet hatten. Schließlich waren immer noch drei Jahre Zeit. Und, wie Politiker stets zu sagen pflegen, in drei Jahren kann viel geschehen!
Inzwischen trafen neuerliche Berichte über wachsende Spannungen zwischen der Konföderation und den Stummen ein, darunter Meldungen über mindestens zwei Vorfälle, bei denen Kriegsschiffe in Feuergefechte verwickelt gewesen seien. Jemand hatte vergessen, den Nebelwerfer abzustellen.
Und ich fing an, mich schuldig zu fühlen.
»Warum, Chase?«
»Wir hätten uns zur Verfügung stellen sollen«, sagte ich. »Wir hätten uns eine Gruppe Kinder zuweisen lassen sollen, um sie von hier wegzubringen!«
Alex seufzte. »Ich bin nicht gerade begierig darauf, die nächsten vier Wochen zusammen mit einem Haufen Kinder zu verbringen, aber du hast Recht. Wenn wir oben sind, erkundigen wir uns nach einer der Hilfsgruppen. Aber, bitte, lass uns dafür sorgen, dass wir auch ein paar Mütter dabeihaben, ja?« Er biss sich auf die Lippe. »Ich wünschte, wir hätten mehr Plätze anzubieten!«
Auf der Raumstation angelangt, gingen wir auf einen Kaffee ins Sandstone’s. Und während Alex in seine Tasse starrte, kontaktierte ich die Einsatzzentrale.
»Ihr Schiff ist bereit«, sagte der Dienst habende Offizier, nicht ohne einen gewissen Hohn in der Stimme. »Heute wollen eine Menge Leute abreisen. Wann wünschen Sie zu starten?«
»Wir dachten, wir nehmen ein paar Kinder mit«, sagte ich. »Die, die evakuiert werden sollen.«
»Ja, verstehe. Tja, von denen ist noch niemand hier.«
»Wann rechnen sie mit ihnen?«
»Keine Ahnung. Aber wir können Ihnen in neunzig Minuten Startfreigabe erteilen, wenn Ihnen das passt.«
»Sie haben wirklich gar keine Ahnung?«
»Negativ. Wenn Sie noch warten wollen – von mir aus gern! Vielleicht kommen die Kinder morgen rauf. Ich nehme an, man sollte entsprechende Vereinbarungen bereits treffen, ehe man herkommt!«
»In Ordnung. Wir melden uns wieder.«
»Ruf sie an!«, schlug Alex vor.
Ich versuchte es. Die KIs waren überlastet. Und als ich schließlich durchkam, waren die Antworten, die ich erhielt, nicht gerade hilfreich. Niemand wusste etwas. Jeder verwies uns an jemanden anderen. Sie waren noch nicht bereit. Nicht erreichbar. Noch mit Vorbereitungen beschäftigt. Bitte hinterlassen Sie Ihren Code, dann melden wir uns bei Ihnen.
»Das ist für die Leute mit Kindern«, kommentierte Alex. »Denen von der Hilfsorganisation ist anscheinend überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass sie einen Code für die Leute einrichten sollten, die eine Transportgelegenheit anbieten wollen!«
Wir hinterließen unseren Code und warteten. Zwei Stunden später hakten wir nach, und die Situation war unverändert. Wir nahmen uns ein Zimmer in einem Hotel. »Das könnte ewig dauern«, meinte Alex.
Ich nahm Kontakt zu Sternschein-Reisen auf. Hatten die vielleicht mehr Anfragen als Plätze? Nein, sie hatten keine Platzprobleme, aber danke für Ihr Interesse.
»Ich schätze, die wollen keine zahlenden Gäste verlieren«, kommentierte Alex.
Irgendwann landeten wir dann in der Hotellobby und warteten darauf, was Kilgore zu sagen hatte. Während wir dort saßen, meinte Alex, dass wir hier ewig herumhocken könnten. »Wollen wir wirklich hier herumhängen, bis diese Bürokraten irgendetwas auf den Weg gebracht haben?«
Nein. Ich jedenfalls wollte das
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