Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
benutzte man Disruptoren zur Jagd, daher konnte ich nicht feststellen, ob er tatsächlich auf mich geschossen hatte oder nicht. Aber dass diese Leute mir nicht freundlich gesonnen waren, stand außer Zweifel, und als sie weitergingen, war ich arg in Versuchung, noch ein paar weitere Steine hinterherzuwerfen.
Immerhin brachte mich das auf eine Idee. Ich hatte einen Papiernotizblock in einer meiner Taschen. Ich grub ihn aus und fing an, ein und dieselbe Botschaft auf jede Seite zu schreiben: HILFE. WIR SIND AUF DEM PLATEAU GEFANGEN. WIR BRAUCHEN HILFE. Nachträglich fiel mir noch etwas ein: NEHMEN SIE KONTAKT ZU ROB PEIFER AUF. BELOHNUNG. Ich unterzeichnete mit Alex’ Namen.
»Was machst du da?«, fragte er.
»Uns eine Chance geben! Ich wünschte, wir hätten hier so etwas wie Plastiktüten.« Ich machte mich auf die Suche, fand aber nichts. Keine Tüten. Keine Gummibänder. Keine Kunststoffbehälter. Keine Büroklammern.
Am Ende knüllte ich die Botschaften einfach zusammen, zweiundsechzig einzelne Seiten, ging wieder hinaus zum Rand des Plateaus und vertraute sie dem Wind an.
»Na ja«, meinte Alex, als ich zurückkam, »wer weiß?«
Im Haus war es inzwischen einigermaßen behaglich. Wir hielten das Feuer am Leben, obwohl wir es inzwischen nicht mehr benötigten. Irgendwie erinnerte das Haus mit seinen stoffbezogenen Stühlen und den Holzwänden an die alte Welt. Im Wohnzimmer zogen sich unter einer mahagonifarbenen, gewölbten Decke Fenster über eine ganze Wand. Von der Küche aus hatte man einen prachtvollen Ausblick auf das Tal und den Berg. Das musste der höchste Berg auf dem ganzen Planeten sein.
Wände und Decken bestanden aus Holz. Die Möbel waren alle handgefertigt und mit Schnitzereien verziert. Stühle und Sofa waren mit einem goldenen Stoff bezogen. Auf den Tischen standen Lampen aus Metall. Unter anderen Umständen wäre dies ein wirklich hübscher Rückzugsort gewesen.
Abgesehen davon, dass man hier sicher nicht Skifahren oder irgendeiner anderen Freiluftsportart nachgehen wollte. Wünschte man jedoch, sich mit einem guten Buch an ein Fenster zu setzen, so war dieser Ort kaum zu schlagen.
Als ich nach dem Hinunterwerfen der Papierknäuel wieder ins Haus zurückkehrte, streifte ich Schuhe und Socken ab und machte es mir wieder vor dem Kamin bequem. »Tja«, bemerkte ich, »sehr ermutigend sieht’s da draußen nicht aus!«
Alex blickte hinauf zu der gewölbten Decke. »Es ist wohl kaum anzunehmen, dass es hier irgendwo ein paar Gravitationsgürtel gibt?«
Na klar! Vermutlich war es ein Vorzug, dass sich dieses uralte Produkt fantastischer Epen als technisch undurchführbar erwiesen hatte. Schnapsleichen auf sechstausend Metern Höhe. Keine erfreuliche Aussicht. Trotzdem hätten wir im Augenblick durchaus ein paar von den Dingern brauchen können.
»Sobald mir warm ist«, verkündete er, »will ich mir den Werkzeugschuppen ansehen! Vielleicht findet sich dort etwas Brauchbares.«
Der Schuppen hatte nicht viel zu bieten. Wir fanden ein paar Ersatzbeleuchtungskörper, zwei Schaufeln, ein paar Muttern, Bolzen und Nägel, einen Ersatzkalibrator für Kellie, eine kaputte HV-Anlage, einen Bohrer, eine Axt, dreißig oder vierzig Meter Seil, zwei Leitern, eine Schachtel mit Deckenhaken, ein paar Blumentöpfe, zwei Eimer Farbe, drei unberührte Pinsel und eine Angelausrüstung.
Eine Angelausrüstung!
Wir gingen wieder hinein und diskutierten darüber, ob wir Kellie abschalten sollten. »Vermutlich erstattet sie Bericht«, meinte Alex.
»Selbst wenn wir sie deaktivieren, haben wir immer noch keine Garantie dafür, dass wir nicht beobachtet werden!«
Und doch hatten wir beide das Gefühl, es wäre besser, die KI abzuschalten. Also fragten wir sie, ob es eine sichere Methode gäbe, das zu tun.
»Ja«, sagte sie. »Wünschen Sie denn, mich abzuschalten?«
»Ja.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja. Es ist nichts Persönliches.«
»Wie Sie wünschen!« Ihre Lampen erloschen. Ich trennte sie von ihrer Energieversorgung, nur, um sicherzugehen.
»Okay«, sagte Alex. »Wir müssen davon ausgehen, dass sie uns immer noch beobachten. Wenn wir also etwas zu bereden haben, das sie nicht hören sollen, müssen wir hinausgehen!«
Ich musterte den Schnee. Jemand würde dafür bezahlen.
An diesem Nachmittag sah ich einen Gleiter von Osten näher kommen, ein Anblick, der mich zunächst in Angst und Schrecken versetzte. Ich hastete zur Tür hinaus. Es war ein großes, weißes Vehikel, auf dessen Rumpf
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