Alex Benedict 06 - Firebird
loslegen, solange sich die Dinge in die richtige Richtung entwickeln.«
Dann verfiel er wieder in Schweigen.
»Geht es um Robin?«, fragte ich.
»Nein. Wie kommst du darauf?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Nur so ein Gedanke.«
»Hat er dir auch keine Ruhe gelassen?«
»Es geht.« Alex schwieg. Ich sah zu, wie der Wald an uns vorüberraste. »Weißt du, was mir immer wieder durch den Kopf geht?«, fragte ich.
»Dass er immer noch irgendwo leben könnte? Dass er sich auf irgendeiner abgelegenen Insel vergnügt?«
»Möglich ist das.«
Alex schüttelte den Kopf. »Robin hat sich zu sehr für seine Arbeit engagiert, um einfach zu verschwinden. Nein, was immer passiert ist, er hat es nicht eingefädelt.«
»Hast du überhaupt irgendeine Vorstellung?«
»Nicht die Geringste. Ich habe mit Shara gesprochen und ihr erzählt, dass Robin auf Sanusar und auf Skydeck war, als die Sichtungen stattgefunden haben.«
»Was hält sie davon?«
»Sie weiß nicht, was sie davon halten soll. Aber sie hat mir geraten, was sie vermutlich auch dir gesagt hat. Sucht das Notebook.«
Der Waggon schaukelte, als wir in eine lange Kurve einfuhren. »Gabe fehlt mir«, sagte ich. »Ich weiß nicht warum, aber ich muss in letzter Zeit oft an ihn denken.«
Er nickte. »Mysteriöse Schiffe in der Nacht.«
»Wahrscheinlich.« Eine Weile saß ich nur da und lauschte der Luft, die durch das Abteil zirkulierte. Wir ließen den Wald hinter uns, kreuzten den Melony und jagten an seinem Ufer weiter voran. Alex verlagerte sein Gewicht auf der Suche nach einer bequemen Haltung. In dem Abteil ging es arg beengt zu.
»Ich bekomme allmählich das Gefühl«, sagte ich, »wir werden uns auf den Weg nach Virginia Island machen.«
Er ließ sich Zeit mit der Antwort. »Ich möchte gar nicht erst damit anfangen«, sagte er schließlich. »Robin war kein junger Mann mehr, als das passiert ist. Die Chance, dass er immer noch lebt …«
»Wann brechen wir auf?«
»Das wird noch ein paar Wochen dauern. Ich habe hier noch zu viele Verpflichtungen.«
»Na ja«, sagte ich, »dann könnte ich ja hinfliegen und die Sache in Gang bringen.«
»Und was gedenkst du zu tun?«
»Du traust mir nicht, was?«
»Natürlich traue ich dir.«
Aber er wartete immer noch auf die Antwort. »Was Touristen so machen. Ein bisschen wandern. Leute kennenlernen. Schauen, was ich herausfinden kann. Irgendwer auf der Insel muss etwas wissen.«
Sieben
Ein Traum, der fortbesteht, wird zum Mythos.
Und letztlich zu einem Dogma.
Tulisofala, Auszüge, CLII, III
(Übersetzt von Leisha Tanner)
Virginia Island liegt ungefähr zehn Minuten vor der Küste von Kinesia, vier Zeitzonen entfernt auf der anderen Seite des Äquators. Die Insel ist vierzehn Kilometer lang, und man könnte sie an der breitesten Stelle zu Fuß in etwa zwanzig Minuten überqueren. Es war bitterkalte Nacht, als ich Andiquar verließ, aber auf Virginia Island herrschte der Sommer.
Den letzten Teil der Reise hatte ich in einer kleinen Pendelfähre vom Festland aus zurückgelegt, die mich zum Windraben brachte, einem Gästehaus, das einen deutlich anständigeren Komfort bot, als der Name vielleicht glauben machte. Es war Nachmittag, und die Fußwege voller Touristen. Ich ging in mein Zimmer, blickte hinaus auf eine Reihe sanfter Hügel, die meinen Meeresblick umrahmten, und rief Alex. »Ich bin da«, sagte ich. »Es ist toll hier.«
»Gut.« Er saß am Frühstückstisch. »War der Flug okay?«
»Alles pünktlich.«
»Schön. Amüsier dich gut.«
»Davon gehe ich aus.«
»Und, Chase, mach dir keinen Stress, ja? Das ist sehr lange her, also wirst du wahrscheinlich nichts erreichen können. Versuch einfach, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie Robin so war, wie viel seine Mitbürger über ihn wussten. Schau, ob du herausfinden kannst, was er auf diesem letzten Flug gemacht hat. Und wie lange er fort war.«
»Okay.«
»Fühl dich nicht genötigt, gleich loszulegen. Wir haben keine Eile.«
»Schön zu hören. Ich glaube, ich gehe zuerst mal an den Strand.«
»Schön. Äh …«
»Ja, Alex?«
»Warst du schon bei Robins Haus?«
»Alex, ich bin gerade erst angekommen.«
»Okay. Klar. Pass auf, eine Sache noch …«
»Ja?«
»Jack Ramsay hat gestern Abend angerufen. Er wird sich in ein, zwei Tagen bei dir melden, um dich zu interviewen. Pass auf, was du ihm gegenüber verlauten lässt. Wir wollen nicht, dass er irgendetwas zu hören bekommt, was sich mit dem Mythos nicht vereinbaren lässt. Verstanden?
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