Alex Benedict 06 - Firebird
und ging hinaus.
Der Raum war luxuriös ausgestattet. Es gab dicke Satinvorhänge, ein dunkles Polstersofa, drei Lehnsessel und einen mit kunstvoller Schnitzerei verzierten Kaffeetisch. Neben einem prachtvollen, pelzgesäumten Gobelin und einem gerahmten Hochzeitsbild von William Winter Sen. und seiner Braut zierten mehrere transliterale Kunstwerke des zwölften Jahrhunderts die Wände. Zwei gehauene Büsten, die einen Mann und eine Frau aus einem anderen Zeitalter darstellten, blickten einander von gegenüberliegenden Seiten des Raums an.
Wir hörten Stimmen auf dem Korridor. Dann betrat ein kleiner, fülliger Mann den Raum. »Mr Benedict«, sagte er. »Wie schön, Sie kennenzulernen. Und Ms Kolpath. Ich bin Billy Winter. Was kann ich für Sie tun?«
Alex brachte seine Bewunderung für den Besitz zum Ausdruck und sagte etwas über das schöne Wetter. Winter erkundigte sich, ob wir etwas trinken wollten. Gewiss. Das wäre sehr nett. Winter sprach mit der KI, und Alex kam zur Sache. »Wie ich bereits erwähnt habe«, sagte er, »stellen wir Recherchen über bedeutende Personen des vierzehnten Jahrhunderts an, Männer und Frauen, deren Wirken sich dauerhaft auf die kulturelle Entwicklung ausgewirkt hat. Aus diesem Grund würden wir gern mit Ihnen über Ihren Vater sprechen.«
Unser Gastgeber machte es sich in einem Lehnsessel bequem. »Meine Zeit gehört ganz Ihnen«, sagte er.
Eine Frau in mittleren Jahren brachte eine Flasche Wein herein, lächelte höflich, nahm drei Gläser aus einem Schrank und stellte sie vor uns ab. Als sie sich zurückzog, schenkte Billy uns ein. Wir erhoben unsere Gläser zu Ehren seines Vaters und des Arkanumvereins, zu dessen Gründern er zählte und dem einige der einflussreichsten Denker des Jahrhunderts angehörten. Maria Cauley, die viel zu der Justizreform beigetragen hatte, war Mitglied dieses Vereins gewesen. Und Lyle Kashevik, der Neurologe, der auf die Bedeutung der Religion für den inneren Frieden des Menschen hingewiesen und zugleich vor ihrer Missbrauchsanfälligkeit gewarnt hatte. Und Indira Khalalla, die das Mondscheinpheromon entwickelt hatte, das so wirkungsvoll war, dass moralistisch gesinnte Opponenten sie vor Gericht gezerrt hatten, um seinen Gebrauch zu unterbinden. Michael Goshok war in jener Zeit Mitglied gewesen, in der er eine führende Rolle bei den Bemühungen gespielt hatte, KIs zu verbieten, die zumindest theoretisch imstande wären, mittels der Begutachtung des Mienenspiels Gedanken zu lesen. Goshok hatte einmal als Kontaktperson zu den Stummen fungiert. Er musste begriffen haben, was es für die Menschen bedeutet hätte, wäre ihr Geist zu einem offenen Buch geworden, in dem jeder lesen konnte.
»Hat Ihr Vater Ihnen je erzählt«, fragte Alex, »warum er nach Indikar wollte?«
»Nein«, sagte Billy. »Ich war erst zehn, als das passiert ist. Er hat auf Wiedersehen gesagt, und plötzlich war er nicht mehr da. Meine Mutter hat mir erzählt, sie hätte nie begriffen, worum es eigentlich gegangen ist.«
»Ist er schon früher zu solchen Missionen aufgebrochen? Soweit Sie sich erinnern?«
»Nein. Das war das erste Mal, dass er diese Welt verlassen hat.« Die Mutter war, wie wir wussten, vor einigen Jahren verstorben. »Sie hat oft gesagt, sie hätte, schon, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hat, ein schlechtes Gefühl gehabt.«
Alex lehnte sich auf seinem Platz zurück. »Sie meinen Chris Robin?«
»Ja.« Billy nahm einen tiefen Schluck von seinem Wein. »Sollten Sie je herausfinden, warum er dort war, sollten Sie herausfinden, warum mein Vater sterben musste, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich informierten.«
Alex versicherte ihm, dass wir das tun würden. Billy stand auf und trat zu dem Hochzeitsbild. Das Paar sah glücklich aus, sogar überschwänglich, so, wie es frisch verheiratete Paare meist taten. Der Bräutigam wirkte vielleicht eine Spur zu selbstsicher. Die Braut, deren Name Suniya war, glühte buchstäblich vor Freude. Ich liebe alte Hochzeitsbilder. Manchmal habe ich den Verdacht, das ist der unausweichliche Höhepunkt im Leben eines jeden Menschen, und wenn wir uns danach wieder dem Alltag ergeben, geht es nur noch bergab.
»Sie wollten seine Papiere sehen«, sagte Billy.
»Ja, wenn Sie gestatten.«
»Sicher.« Er erhob seine Stimme ein wenig. »Miranda, würden Sie bitte alles für Chase und Alex vorbereiten.«
»Ganz, wie Sie wünschen, Mr Winter «, sagte die KI, und ich bestaunte unwillkürlich den formellen Ton. Die
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