Alex Cross 07 - Stunde der Rache
Tempus fugit. « Dann legte er auf.
Ich ging zurück an die Arbeit, und es gelang mir, mich für einige Stunden darin zu vertiefen. Langsam machte ich winzige Fortschritte.
Gegen vier Uhr starrte ich auf den Berufsverkehr hinaus, der in San Francisco eigentlich recht gemäßigt war, während ich mit Kyle Craig redete. Er war noch in Quantico und steckte bis über beide Ohren in diesem Fall.
Kyle war in der Lage, die Fälle auszusuchen, um die er sich persönlich kümmerte. Und – wie er mir sagte – unser Fall gehörte eindeutig dazu. Ich freute mich darauf, wieder einmal mit ihm zusammenzuarbeiten.
Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr. Jamilla kam zu meinem Schreibtisch. Sie zog sich die Jacke an und kämpfte gerade mit dem zweiten Ärmel. Offenbar wollte sie das Büro verlassen. »Moment mal, Kyle, bleib dran«, sagte ich.
»Wir müssen nach San Obispo fahren«, sagte sie. »Dort soll eine Leiche exhumiert werden. Ich glaube, dass sie mit unserem Fall zu tun hat.«
Ich erklärte Kyle, dass ich gleich weg müsse. Er wünschte mir Waidmanns Heil. Jamilla und ich fuhren mit dem Aufzug in die Tiefgarage des Polizeipräsidiums hinunter. Je mehr ich von ihrer Art zu arbeiten mitbekam, desto mehr war ich beeindruckt, nicht allein von ihrem messerscharfen Verstand, sondern auch von ihrer Begeisterung für ihre Arbeit. Viele Polizeibeamte verlieren diese nach etlichen Jahren. Sie offensichtlich nicht. Willst du Jamilla vögeln? Dann solltest du dich beeilen.
eilen.
»Laufen Sie immer auf Hochtouren?«, fragte ich Jamilla, als wir in ihrem blauen Saab saßen und in Richtung 101 fuhren. »Ja, schon«, antwortete sie. »Ich arbeite gern. Anstrengend, aber interessant – und meist ehrlich. Allerdings könnte ich ohne die Gewalt auskommen.«
»Vor allem in diesem Fall. Das Aufhängen. Da bekomme ich eine Gänsehaut.«
Sie schaute zu mir herüber. »Da wir gerade von lebensbedrohlichen Situationen reden – schnallen Sie sich lieber an. Wir haben eine ziemliche Strecke vor uns, und ich bin aus Spaß Autorennen gefahren. Lassen Sie sich von dem Saab nicht täuschen.«
Sie hatte nicht gescherzt. Laut Straßenschilder waren es bis San Luis Obispo 235 Meilen. Auf dem Großteil der Strecke bombardierte schwerer Regen den Saab, trotzdem brachte sie uns bis halb neun Uhr ans Ziel.
»Und in einem Stück.« Sie nickte und zwinkerte mir zu, als wir die Ausfahrt nach San Luis Obispo nahmen.
Die Gegend sah idyllisch aus, aber wir waren auf dem Weg, die Leiche eines jungen Mädchens zu exhumieren. Man hatte sie aufgehängt und ausbluten lassen.
13
S an Luis Obispo ist eine Universitätsstadt und wirkt auf den ersten Blick sehr hübsch. Wir fanden die Higuera Street und fuhren darauf bis Osos, vorbei an kleinen Geschäften, aber auch Starbucks, Barnes & Noble und Firestone Grill. Jamilla erklärte mir, dass man in San Luis Obispo die Tageszeit immer anhand der Gerüche bestimmen konnte. Nachmittags auf der Marsh Street den Rauch vom Grill oder nachts den Geruch von Hopfen und Gerste der örtlichen Brauerei.
Wir trafen Detective Nancy Goodes in dem Polizeirevier in der Stadt. Sie war eine zierliche, attraktive Frau, mit der sonnengebräunten Haut Kaliforniens. Sie leitete energisch die Mordkommission. Sie hatte nicht nur mit uns Kontakt wegen der Exhumierung aufgenommen, sondern sie ermittelte auch in den Mordfällen zweier Studenten des Polytechnikums, die auf den ersten Blick nichts mit unserem Fall zu tun hatten, aber wer wusste das schon mit Sicherheit? Wie die meisten Detectives beim Morddezernat hatte sie viel zu tun.
»Wir haben die Erlaubnis, die Leiche zu exhumieren«, erklärte Nancy Goodes uns auf dem Weg zum Friedhof. Zum Glück hatte der Regen aufgehört. Dank den Santa-Ana-Winden war die Luft warm.
»Was können Sie uns über den Mord sagen, Nancy? Sie haben den Fall doch selbst bearbeitet, richtig?«, fragte Jamilla. Sie nickte. »Habe ich. Und ungefähr sämtliche anderen Detectives in der Stadt. Der Fall war sehr traurig und hat für viel Aufsehen gesorgt. Mary Alice Richardson ging auf die katholische Highschool. Ihr Vater ist ein beliebter Arzt. Sie war ein nettes Mädchen, aber ein bisschen wild. Was kann ich Ihnen sagen? Sie war ein Teenager . Fünfzehn Jahre alt.«
»Was meinen Sie mit wildem Kind?«, fragte ich Detective Goodes.
Sie seufzte und kaute nachdenklich auf der Unterlippe. Ich sah, dass dieser Fall bei ihr eine Wunde hinterlassen hatte. »Sie hat oft die Schule geschwänzt,
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